Interview

"Wir können PV-Module in beinahe jede Fläche integrieren"

Photovoltaik
23.08.2022

Aktualisiert am 24.08.2022
Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria, erläutert im Interview, welches Potenzial in Sonnenstromerzeugung steckt und welche Möglichkeiten an Förderungen es aktuell gibt.

Vera Immitzer ist die Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria.

Wie groß ist Ihrer Meinung nach das Potenzial, mit Photovoltaik Häuser, Städte, Staaten, vielleicht Kontinente klimafit zu bekommen?

Vera Immitzer: Das Potenzial über PV-Anlagen auf unsere Gebäude, klimafitte Städte und Staaten zu bekommen, ist sehr groß. Denn das wirklich Faszinierende und zugleich Wertvolle an der Sonnenstromerzeugung ist deren vielfältige Einsatzmöglichkeit. Jede, der Sonne (halbwegs) zugeneigte Fläche kann für die Stromproduktion aktiviert werden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nacht ist jedoch, dass es in der Praxis verschiedenste Gründe gibt, warum die Gebäude alleine dann doch bei Weitem nicht ausreichen werden, um unsere Kontinente klimafit zu machen.

Wenn Sie sagen, dass die Gebäude alleine nicht ausreichen um unsere Welt klimafit zu machen, welche weiteren Möglichkeiten der Sonnenstromproduktion kennen Sie noch?

Wir sind mittlerweile in der Lage – sowohl technisch als auch wirtschaftlich – die PV-Module auf und in beinahe jede Fläche zu integrieren. Jegliche Art von bebauter Infrastruktur, Überdachungen von Parkplätzen oder Bahnsteigen, Bestückung von Lärmschutzwänden und Kombinationen mit der Landwirtschaft werden bereits genutzt. Selbst vor der Anbringung auf Wasserflächen schrecken wir nicht zurück. Der Fantasie sind beinahe keine Grenzen mehr gesetzt. Diese Vielfältigkeit hilft uns sehr, denn es gibt großen Nachholbedarf.

Bisher ließen hohe Investitionskosten eher zögern, sich für eine PV-Anlage zu entscheiden. Gibt es Anzeichen, dass sich diese Form der Energiegewinnung für eine breitere Bevölkerungsschicht erschließen könnte?

In den vergangenen Jahren hatten wir immer wieder Aufs und Abs, die vor allem durch verfügbare oder eben nicht mehr verfügbare Förderungen getrieben war. Auch waren die Kosten vor zehn Jahren noch fast doppelt so hoch wie jetzt, weswegen tatsächlich nur ein geringer Teil der Bevölkerung eine PV-Anlage sein Eigen nennen konnte. Neben den gesunkenen Investitionskosten und den erstmals über Jahre hinweg stabilen Förderbedingungen und natürlich auch den äußeren Umständen geschuldet, überlegen mittlerweile sehr viele Personen die Stromerzeugung selber in die Hand zu nehmen.

Staatliche Förderungen bringen neuen Schwung in die Branche, die Nachfrage steigt. Kann diese in Anbetracht der aktuellen Situation bedient werden?

Es sind sowohl staatliche Förderungen, aber vor allem auch die steigenden Stromkosten und das steigende Klima-sowie Unabhängigkeitsbewusstsein der Menschen, die einen regelrechten Nachfrageboom auslösen. Unsere PV-Unternehmen geben ihr Bestes, um die Nachfrage der Privatpersonen und Unternehmen zu decken. Die gestiegene Nachfrage in Verbindung mit verschobenen Rohstoff- und Lieferketten und der Personalmangel führen jedoch dazu, dass Projekte teilweise erst im nächsten Jahr umgesetzt werden können. Hier brauchen wir nun leider alle Geduld.

Wem die klassischen PV-Module am Dach nicht gefallen, kann auf gebäudeintegrierte und teilweise auch bedruckte Module zurückgreifen, die äußerst charmant und von der Umgebung kaum unterscheidbar integriert werden können.

Vera Immitzer

Welche Möglichkeiten an Förderungen gibt es?

Seit ein paar Wochen gibt es ein neues Fördergesetz, das so genannte "Erneuerbare Ausbau Gesetz", das die Förderung der Erneuerbaren forciert. Hier gibt es einerseits eine Investitionsförderung für PV-Anlagen, also eine Einmalförderung für die Anlage. Innovative Anlagen wie gebäudeintegrierte Projekte erhalten einen 30-prozentigen Bonus. Auf der anderen Seite gibt es eine Förderung für den eingespeisten Sonnenstrom. Die Details zur letzteren Förderung werden gerade finalisiert.

Viele Menschen finden die aufgestelzten PV-Module auf Dächern oder in der Landschaft nicht besonders attraktiv. Braucht es mehr Initiativen, um PV elegant in Architekturelemente zu integrieren?

Wem die klassischen PV-Module am Dach nicht gefallen, kann auf gebäudeintegrierte und teilweise auch bedruckte Module zurückgreifen, die äußerst charmant und von der Umgebung kaum unterscheidbar integriert werden können. Diese Module sind zwar meist kostenintensiver, und die Planungen sind aufwändiger, aber die Mehrkosten werden sowohl mit dem besseren Aussehen als auch mit einer höheren Förderung entgolten.

PV wird als Architekturelement aber noch relativ wenig eingesetzt. Woran liegt es?

Es braucht ein gewisses Fachwissen über die Technik und die Konstruktionsmöglichkeit der Photovoltaik, um diese abseits vom Standard im Gebäude integrieren zu können. Natürlich erfordert es auch eine gewisse Leidenschaft dafür um den höheren Planungs- und Abstimmungsaufwand, aber auch Kostenaufwand zu akzeptieren. Bei diesen Systemen braucht es aber neben dem klassischen Elektrotechniker meist mehrere Gewerke, weswegen ein gutes Zusammenspiel notwendig ist. Um die bereits tollen umgesetzten Projekt noch mehr vor den Vorhang zu holen, gibt es seit mehreren Jahren den österreichischen Award für die besten Projekte mit integrierter Photovoltaik. Hier sieht man sehr schön welches Potential besteht, auch aus architektonischer Sicht.

Wie wird sich die Photovoltaik in technischer Hinsicht in Zukunft noch weiterentwickeln?

Die PV-Module werden immer leistungsstärker. Innerhalb der letzten zehn Jahre wurde die Leistung beinahe verdoppelt, die Kosten haben sich damit halbiert. Damit kann auf derselben Fläche mehr Strom erzeugt werden. In den Laboren tut sich unheimlich viel. Auch wird daran gearbeitet den Materialeinsatz weiter zu reduzieren.
(bt)