Abdichtung

Stufenlos und trotzdem dicht

Bauwerksabdichtung
12.05.2021

Abdichtungsanschlüsse an Türen und bodentiefen Fenstern sind ein heikles Detail bei der Ausführung. Regelwerke gibt es genug, dennoch tauchen in der Praxis mitunter Probleme auf.

In den letzten Jahren ist das Thema des barrierefreien Bauens und somit auch das „Schwellenlose“ immer mehr in den Fokus gerückt. Somit hat sich das Nutzungsverhalten von Personen auf Zu-/Ausgänge an Gebäuden geändert und der konstruktive Witterungsschutz – die Türschwelle wurde zurückgebildet. Wo früher der klassische 15 Zentimeter Hochzug vorhanden war, ist heute ein ebener Übergang herzustellen. Damit die Bauwerksabdichtung diese Anforderungen gewährleisten kann, gibt es entsprechendes Regelwerk für Abdichtungen. Für die Barrierefreiheit sind insbesondere die ÖNormen als anerkannte Regel der Technik bindend. Darüber hinaus ist für die Bauwerksabdichtung die OIB Richtlinie 4 (harmonisierte Technische Regel zum Baugesetz – Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit) verbindlich und gibt Hinweise zur barrierefreien Gestaltung von Gebäuden und deren Teilen. Doch das beste Regelwerk hilft nicht, wenn die Praxis anders aussieht.

Schlüsselmoment Planung

Die technisch korrekte Umsetzung der Bauwerksabdichtung beginnt beim Entwurf, wo die Planung bereits die ersten schwellenlosen Übergänge erkennen kann, wie beispielsweise Personenverkehrsflächen, Fluchtwege, Terrassen, offene Stiegen/Laubengänge oder Ähnliches. Entsprechend geregelt ist dies in der ÖN B3691 (Planung und Ausführung von Flachdachabdichtungen) bzw., ÖN B3692 (Planung und Ausführung von Bauwerksabdichtungen). Seit knapp einem Jahr gibt es die IFB-Richtlinie zum Thema Anschluss an bodentiefe Fenster und Türen, die für die Abdichtung wichtig ist. Der generelle Einbau der Fenstertüren wird durch die ÖN B5320 bereits im Jahr 2000 in der Vornorm öffentlich geregelt und seit 2006 als Norm publiziert. Die Barrierefreiheit bzw. die ÖN B1600 war in dieser „Fenster-Norm“ erstmals in der Ausgabe 2015 erwähnt, zuvor nicht. (ÖN B5320 – Einbau von Fenstern und Türen in Wände – Planung und Ausführung des Bau- und des Fenster-/Türanschlusses).

Regelwerk zum Thema Abdichtung gibt es also grundsätzlich genug. Warum kommt es bei der Ausführung trotzdem zu Schwierigkeiten auf der Baustelle? „Als Erstes beginnt die Problematik in der Planung. Wenn hier eine übergeordnete Planung die Schnittstellen versteht und löst, ist alles gut. Wird beispielsweise die Planung dem Ausführenden aufgebunden, wird in der Regel mit Scheuklappen das eigene Gewerk behandelt, ohne zu bedenken, ob das Folgegewerk ausführbar ist. Vor allem eine Detailplanung ist bei den Terrassentüren unverzichtbar“, so Andreas Perissutti, Baumeister und Gerichtssachverständiger. „Durch die Ausarbeitung der IFB-Richtlinie ist ein erster Schritt zum gegenseitigen Verständnis der Problematik gemacht worden. Leider wird es noch eine geraume Zeit benötigen, bis die Tür- und Fensterindustrie ihre Systeme an die Anforderungen der Bauwerksabdichtung angepasst haben werden, weil dies einen enormen technischen und finanziellen Aufwand bedeutet“, sagt Peter Hable, Geschäftsführer der Firma Hofstadler.

Sonderlösungen gefragt

In der Praxis sind in rund 80 Prozent der Fälle auf der Baustelle Sonderlösungen bei der Abdichtung gefragt. Am Ende geht es auch um die Schadensverantwortung und darum, ein Bewusstsein bei den Ausführenden und Planenden zu schaffen. Nicht zuletzt aus dieser Notwendigkeit heraus hat Peter Hable vor rund fünf Jahren für die Abdichtung ein Alternativ-Produkt zum Flüssigkunststoff entwickelt. „Die Leute brauchen Lösungen. Mit TopLine bieten wir ein System an, mit dem der Bauwerksabdichter die in der Praxis vorkommenden schwierigen Anschlussdetails normgerecht lösen kann“, so Hable. „Flüssigkunststoff ist aus der Abdichtungsbranche nicht wegzudenken, allerdings lässt er viel Spielraum für Kosteneinsparungen bei der Untergrundvorbehandlung und der vorgeschriebenen Mindestschichtstärke. Und wenn die Voraussetzungen für den Einsatz von Flüssigkunststoff auf der Baustelle nicht gegeben sind, dann braucht es eine Alternative. Diese Alternative bieten wir an.“

Die Problematik in der Praxis

Peter Hable erklärt, welche Probleme sich in der Praxis ergeben: „Aus architektonischen Gründen werden die Tür- und Fensterrahmen sehr schmal gestaltet, wodurch in Verbindung mit dem Sonnenschutz für herkömmliche Abdichtungsmaterialien die nötigen Anschlussbreiten und -höhen oftmals nicht ausreichen. Für unser Produkt genügt hingegen eine sehr kleine Anschlussbreite von lediglich 15 Millimetern. Darüber hinaus werden manche Schwellenprofile seitens der Türhersteller so kompliziert hergestellt, dass ein stauwasserdichter Übergang der horizontalen Abdichtung in den erforderlichen seitlichen Abdichtungshochzug nicht oder nur schwer möglich ist.“ Andreas Perissutti: „Dazu kommt, dass sehr oft aus Kostengründen am Fenster der Sonnenschutz im Werk vormontiert und dadurch der eigentliche Fensterstock bereits überbaut wird, bevor an diesen die Bauwerksabdichtung angeschlossen wird. Seitlich in der Leibung bleibt oft nur ein tiefer, schmaler Spalt, häufig nur zwei bis drei Zentimeter, wo keine Abdichtung als Hochzug zu Wand und Fenster hergestellt werden kann.“

Abläufe optimieren

Um die Abläufe so zu gestalten, dass jedes Gewerk auf der Baustelle seiner Arbeit problemlos und optimal nachgehen kann, braucht es also noch ein paar Veränderungen, die wohl nicht durch Normen, Regeln und Gesetze herbeigeführt werden können. Peter Hable betont dennoch: „Entsprechend der ÖNorm B5320 muss, vereinfacht gesagt, der Planer die Tür so planen und der Türhersteller seine Türen so planen und bauen, dass der Bauwerksabdichter seine ÖNorm B 3691 erfüllen kann. Das heißt, bereits bei der Planung muss darauf geachtet werden, dass das Türsystem die gestellten Anforderungen auch erfüllen kann.“ Das funktioniert natürlich nur, wenn die entsprechende Sensibilisierung bei den einzelnen Instanzen da ist. Andreas Perissutti sagt es deutlich: „Es funktioniert dann nicht, wenn vertragliche Regelungen mit den einzelnen Gewerken Schnittstellenlücken zulassen. Dann verlässt sich jeder blind auf den anderen und zum Schluss steht man als Bauherr mit den Werkunternehmern vor der Tür und ‚keiner will’s gewesen sein‘.“ Seine Empfehlung: „Ein Haus ohne Tür gibt es praktisch nicht. Also ist man immer damit konfrontiert. Wichtig ist, keine getrennten Verträge für Fenster oder Türen abzuschließen. Dieses Modell ist weit verbreitet. Man denkt, man kauft eine fertig versetzte Tür vom Hersteller, tatsächlich kauft man nur das Produkt vom Hersteller und schließt einen zweiten Vertrag für die Montage bei einem Partnerbetrieb des Herstellers ab. Rechtlich gesehen ist das schwierig, wenn es dann Probleme gibt, weil man sich als Bauherr mit zwei Vertragspartnern auseinandersetzen muss. Daher empfiehlt es sich, nur eine Gesamtleistung mit einer Firma zu vereinbaren. Dem Baulaien kann ohnehin nur geraten werden, einen befugten Architekten oder planenden Baumeister mit Ausführungs- und Detailplänen, der Ausschreibung und Bauüberwachung zu betrauen. Es kümmert sich dann jemand um diese technischen Angelegenheiten, die man vor allem als ­laienhafter Bauherr gar nicht selbst beurteilen, geschweige denn selbst lösen kann. So kann man einem Fiasko von Anfang an aus dem Weg gehen. Und das gilt nicht nur für Fenster und Türen, sondern für den ­ganzen Bau.“

Normen

Zur Barrierefreiheit sind insbesondere ÖNormen als anerkannte Regel der Technik und als technische Regel für Gesetze bindend.

  • ÖNorm B 1600 „Planungsgrundlagen für das Barrierefreie Bauen“ definiert (z. B. Gehsteige, Rampen, Eingangsbereiche und Türen).
  • Die nachstehenden ÖNORMEN B 1601 bis B 1603 sind in Verbindung mit der (Basis-)ÖNorm B 1600 anzuwenden:
  • ÖNorm B 1601 „Planungsgrundlagen für barrierefreie Gesundheitseinrichtungen, assistive Wohn- und Arbeitsstätten“.
  • ÖNorm B 1602 „Barrierefreie Bildungseinrichtungen“.
  • ÖNorm B 1603 „Planungsgrundlagen für barrierefreie Tourismus- und Freizeiteinrichtungen“.

IFB-Symposium

Im heurigen IFB-Symposium ist dem Thema „Abdichtungsanschluss an bodentiefe Türen“ ein ganzer Themenblock gewidmet. Das 18. IFB Symposium wird von 9. bis 10. September 2021 in Salzburg abgehalten. Informationen unter 
https://ifb.co.at/

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