Portrait

Kunst schafft Raum

Denkmalpflege
26.04.2023

Im sanierten Parlamentsgebäude sind neue Räume entstanden, die mit zeitgenössischer Kunst gefüllt wurden – darunter finden sich etwa auch mehrere Gemälde und eine Wandinstallation von Heimo Zobernig. Mit dem Magazin "color" sprach er exklusiv über die Entstehungsgeschichte seiner Werke.
Blick auf die Gemälde des Heimo Zobernig
Die von Heimo Zobernig erstellten Gemälde verfügen de facto über keine Eigenfarbe. Je nach Grundierung und Lichteinfall entstehen daher unterschiedliche Farbeindrücke.

Bereits seit über vierzig Jahren setzt sich Heimo Zobernig, eine der bekanntesten Künstlerpersönlichkeiten Österreichs, mit den vielschichtigen Positionen der geometrischen Abstraktion auseinander. Dabei verfolgt der Kärntner, welcher seit vielen Jahren im In- und Ausland als Kunstprofessor lehrt, die Konfrontation mit traditionellen Kunstbegriffen – allein schon deswegen, um dem allgegenwärtigen „Glanz und Gloria“ der alten Habsburgermonarchie einen Kontrapunkt entgegenzusetzen. Folglich entwickelte Zobernig in Anlehnung an die reduzierte Formensprache des russischen Konstruktivismus, des niederländischen De-Stijl-Movements und der Bewegung der Zürcher Konkreten eine eigene, nüchterne und transzendenzlose Sicht auf die Welt – quasi einen alternativen Blickwinkel im Kontext des Realismus.

Die Auseinandersetzung mit den Positionen der geometrischen Abstraktion ist ein zentrales Element meiner Arbeit. Es geht dabei auch um die Konfrontation mit den Deutungsebenen des herkömmlichen Kunstbegriffes.

Heimo Zobernig

Jener multispektralen Wirklichkeit näherte sich der Künstler durch filmische Arbeiten sowie durch die Malerei an. Später wandte er sich vornehmlich der Leinwand zu, wie Zobernig betont: „Ich habe mich zu Anfang meiner Karriere viel mit dem Medium Film auseinandergesetzt und dann entschieden, die Abbildung des Figürlichen den Filmemachern zu überlassen und mich der radikalen Abstraktion ausschließlich bildnerisch-malerisch zuzuwenden. Ich wollte dabei weder metaphorisch noch symbolisch arbeiten“, so der Kunstschaffende.

Mythos goldener Schnitt

Portrait von Heimo Zobernig
Heimo Zobernig zählt aktuell zu den bedeutendsten zeitgenössischen Künstlern Österreichs.

Die neue Sachlichkeit wurde in den Achtzigerjahren vielfältig interpretiert. Häufig fand in ihr eine Rückbesinnung auf Ordnungsprinzipien und künstlerische Traditionen und darin die immer wiederkehrende Auseinandersetzung mit dem Ornament statt. Auch Zobernig suchte Inspiration in historischen Vorbildern. „Ich würde sagen, dass ich sogar noch einen Schritt weitergehe. Ich orientiere mich an Stilmitteln früherer Kunstepochen und deute sie neu. Ich sage beispielsweise, dass der Goldene Schnitt überbewertet wird. Dass auch ohne diese traditionellen Regeln der Bildkomposition gute Formen entstehen. Dabei habe ich mich nicht nur von nichtvisuellen, sondern unter anderem auch von sprachlichen Motiven inspirieren lassen“, so der Künstler über die vielschichtigen Ebenen der Bildfindungen.

Der goldene Schnitt wird meiner Meinung nach völlig überbewertet. Das ist wohl ein Relikt aus den guten alten Zeiten. Und es ist eine Art von Nostalgie, die hierdurch zum Ausdruck kommt. So, als wolle man die Habsburgermonarchie am Leben erhalten.

Heimo Zobernig

Die Interpretation jener Motive sei ohnehin ein Phänomen für sich. Denn schließlich definiere sich diese maßgeblich über die jeweilige Wahrnehmung und die ist bekanntermaßen immer individuell. Letzteres ist etwas, mit dem sich jeder Künstler arrangieren müsse. Dasselbe gelte auch für ihn, wie Zobernig erklärt:  „Was denken die Betrachter, wenn sie meine Kunstwerke sehen? Deckt sich das mit meinen Intentionen oder nicht? Das sind Fragen, die mich immer wieder aufs Neue beschäftigen, wenngleich ich daran freilich nichts ändern kann.“

Gemälde von Heimo Zobernig
Die von Heimo Zobernig erstellten Gemälde verfügen de facto über keine Eigenfarbe. Je nach Grundierung und Lichteinfall entstehen daher unterschiedliche Farbeindrücke.

Im Spiegel der Gesellschaft

Als Kunst im Laufe der Neunzigerjahre zunehmend als eine gesellschaftlich gelebte Praxis wahrgenommen wurde, erhielt Zobernig immer häufiger auch die Möglichkeit, Räume des öffentlichen Lebens wie etwa Kantinen, Tagungsräume oder Pavillons mit seinen Installationen und Gemälden auszustatten. Auf diese Weise machte sich der Künstler in Österreich einen Namen als einer der wichtigsten künstlerischen Impulsgeber der Gegenwart, sodass ihm die besondere Ehre zuteilwurde, als einer von wenigen ausgewählten Künstler*innen an der Neugestaltung des sanierten Parlamentsgebäudes in Wien teilzuhaben. Neben den aus Stahl gefertigten Schriftzügen „Parlament“ und „Demokratie“ gestaltete er mehrere Gemälde, welche allesamt über keinen Titel verfügen. Sie wurden im sogenannten „Blauen Salon“, dem Empfangsraum des Nationalratspräsidenten, beziehungsweise der Nationalratspräsidentin, freischwebend vor den Wänden platziert.

Die Gemälde des sogenannten blauen Salons
Die Gemälde verfügen über eine Höhe von jeweils 2,70 Meter, der Durchschnittsgröße im Wohnbau.

Farbe als Balanceakt

Noch heute könne er sich gut daran erinnern, wie er einst in dem Salon stand und sich darüber Gedanken machte, wie er auf diesen Raum in diesem geschichtsträchtigen Gebäude reagieren sollte. „Mein Auftrag war natürlich, auf diese prachtvolle, ornamentale Raumgestaltung einzugehen und trotzdem etwas Eigenständiges, Gegenwärtiges zu schaffen“, so der Künstler über die Intentionen zu seinem Werk. Schlussendlich habe er sich dafür entschieden, den Raum mit vier Gemälden auszustatten, die an sich über keine Eigenfarbe verfügen sollten. Demzufolge kamen Acrylfarben mit Interferenzpigmenten des Schweizer Herstellers Lascaux zur Anwendung. Diese verfügen über keine herkömmlichen Pigmente, sondern über dünne farblose Kristallblättchen, welche erst durch die Lichtbrechung einen Farbeindruck entstehen lassen.

Je nach Bildgrundierung, Lichteinfall und Betrachtungswinkel entstehen dabei unterschiedliche visuelle Eindrücke – frei nach dem Motto „What you see is what you get“, oder umgekehrt. Um für die gewählten Lascaux-Crystal-Effektfarben – Turquoise, Indigo, Blau und Violett – die gewünschte Farbkraft zu erhalten, setzte der Künstler die Emulsion auf eine schwarze Grundierung. „Der Auftrag der Farbe war ein echter Balanceakt – um den Effekt der changierenden Farben zu erzielen, muss sie sehr dünn aufgetragen werden. Also habe ich die Farbe vorab testweise auf Vergleichsleinwände aufgebracht, um den Rhythmus des Farbauftrags zu üben. Ich habe mich sozusagen in die Farbe eingemalt.“

Detailaufnahme der Gemälde von Heimo Zobernig
Dadurch, dass die Gemälde vor den Wänden abgehängt wurden, wirken diese, als würden sie im Raum „schweben“.

Geschichte trifft Gegenwart

Vor über vier Monaten wurde das neu sanierte Parlament und damit auch die effektvollen Kunstwerke von Heimo Zobernig erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Im Gegensatz zur jahrelangen Planung des Parlamentsumbaus, welcher vom Architekturbüro Jabornegg & Pálffy realisiert wurde, war die Bespielung der sanierten Räumlichkeiten mit zeitgenössischer Kunst eine Entscheidung, die im Jahr 2020 relativ kurzfristig fiel. Ein Unterfangen, welches bereits im Vorfeld zu Kontroversen führte. Denn schließlich sorgte die Umsetzung der vielfältigen künstlerischen Interventionen im Hohen Haus für zahlreiche Konflikte.

Dass es bei so einem großen Projekt zu Konflikten kommt, lässt sich nicht vermeiden. Auch deswegen, weil ja so viele unterschiedlichen Parteien daran beteiligt sind. Da auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, ist schon eine Kunst für sich.

Heimo Zobernig

Erst kürzlich kam es während einer Führung zu einem Eklat, als sich ein Aktivist an das goldene Klavier des Parlaments klebte und darauf aufmerksam machte, dass jener „Secessionsflügel“ die Steuerzahler jährlich mehr als dreißigtausend Euro kostet. Solche Ereignisse verwunden Zobernig nicht. „Dass es bei so einem großen Projekt zu Konflikten kommt, ist ganz normal. Damit muss man rechnen. Das ist schon deswegen so, weil so viele unterschiedliche Parteien an diesem Prozess beteiligt sind. Es gibt einfach Dinge, die in der Umsetzung nicht optimal gelaufen sind. Auch bei meinen Kunstwerken ist manches anders gekommen, als das ursprünglich geplant war.“ Beispielsweise sei für seine aus geöltem Stahlblech gefertigten Wandinstallationen ursprünglich ein Platz im Plenarsaal rechter und linker Hand des Bundesadlers vorgesehen gewesen, doch hierfür hätte es einen einstimmigen Beschluss des Parlaments gebraucht. „Dieser Beschluss kam nicht zustande, weswegen die Schriftzüge an die Stirnwand eines der Ausschusslokale gewandert sind – aber dort kommen sie, wie ich finde, auch sehr gut zur Geltung. Ich bin also insgesamt sehr zufrieden mit dem Ergebnis.“

Wandinstallation "Parlament, Demokratie"
Ein weiteres Kunstwerk, das Zobernig für das Parlament anfertigte, ist die Wandinstallation mit den Schriftzügen „Parlament“ und „Demokratie“. Das Schriftbild wurde der serifenlosen Schriftart Helvetica entlehnt.
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