Feuerschutztüren

Fluchtweg ohne Hindernis

Barrierefreiheit
21.04.2022

 
Tipps vom Brandschutz-Experten: Barrierefreiheit in druckbelüfteten Treppenräumen.
Fluchtwege im Gebäude

Für Planer*innen und Architekt*innen birgt Brandschutz einige Herausforderungen – gerade wenn es um sichere Treppenräume als Fluchtwege und Rettungsräume geht, die zudem oft barrierefrei erreichbar sein müssen. Wie das umsetzbar ist, erklärt ein Experte von Geze, dem Spezialisten für Tür-, Fenster- und Sicherheitstechnik.

Sichere Bereiche

Beim Brandschutz geht es darum, eine Ausbreitung des Feuers zu verhindern, die Selbstrettung der Menschen im Gebäude so einfach und sicher wie möglich zu gestalten und Rettungskräften von außen einen schnellen Zugang zu ermöglichen. Dafür müssen bestimmte Türen in jedem Fall selbstschließend sein, um im Gefahrenfall im Gebäude sichere Bereiche zu schaffen oder noch besser: den sicheren Ausweg aus dem brennenden Gebäude zu erhalten. Geschlossene Türen können allerdings den Anforderungen an eine barrierefreie Nutzung des Gebäudes zuwiderlaufen, wenn die erforderlichen Bedienkräfte zum Öffnen zu hoch sind. Hinzu kommt, dass je nach Art und Nutzung des Gebäudes ganz unterschiedliche Anforderungen an Barrierefreiheit erfüllt sein müssen. Im Falle eines Geschäftsgebäudes zum Beispiel greifen zusätzliche technische Regeln für Arbeitsstätten bzw. Vorgaben zur barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstätten.

Barrierefreie Brandschutztüren

Feuerschutztür in Krankenhaus
Gleitschienen-Türschließer in einem Krankenhaus

Um im Normalbetrieb eine barrierefreie Nutzung gemäß den Normen zum barrierefreien Bauen sicherzustellen, reicht bei Brandschutztüren schon eine selbstschließende Tür mit Türschließer. Dieser darf jedoch einen Wert von 47 Nm Öffnungsmoment nicht überschreiten. Um zusätzlich den höheren Anforderungen der Barrierefreiheit bezüglich Bedienkräfte gerecht zu werden, benötigen selbstschließende Brand- oder Rauchschutztüren mindestens Freilauf-Türschließer oder Feststellanlagen, welche die Tür im Normalbetrieb offenhalten. Eine weitere Option ist eine Tür mit Türantrieb.

Passende Türen für druckbelüftete Treppenräume

Portrait Günther Weizenhöfer
Günther Weizenhöfer: "Es kommt darauf an, welche Personengruppen den Treppenraum erreichen und die Türe öffnen können müssen."

Eine Patentlösung für alle Anwendungsfälle gibt es nicht. "Bei druckbelüfteten Treppenräumen muss beispielsweise auf Barrierefreiheit ein besonderes Augenmerk gelegt werden, weil hier eine sogenannte Rauchschutzdruckanlage (RDA) zum Einsatz kommt, die den Treppenraum im Brandfall mit einem kontrollierten Überdruck gegenüber den angrenzenden Räumen rauchfrei hält", erklärt Günther Weizenhöfer, Architekt und Teamleiter Pre Sales Development bei Geze. Auf diese Weise bleiben die Flucht- und Rettungswege rauchfrei, die Menschen im Gebäude können sich in Sicherheit bringen und die Feuerwehr kann den Brand löschen – und zwar auch über einen längeren Zeitraum hinweg. Nun kommt es allerdings darauf an, welche Personengruppen den Treppenraum erreichen müssen und ob diese die Tür gegen den Druck der Rauchschutzdruckanlage öffnen können. Die Größe der Tür und die Höhe des Differenzdrucks spielen für die Entscheidung eine erhebliche Rolle. Je nach Anforderung kommt daher eine manuell zu bedienende Tür zum Einsatz oder es wird eine automatisch gesteuerte Tür erforderlich.

Gegen den RDA-Druck öffnende oder schließende Rettungstür

"Bei Türen im Einzugsbereich einer RDA ist zunächst die Klärung der Einbausituation erforderlich", sagt Günther Weizenhöfer. Dabei gebe es zwei Betrachtungsweisen: "Öffnet die fragliche Tür gegen den RDA-Druck? Das ist immer dann der Fall, wenn Menschen im Notfall in den Treppenraum fliehen. Oder schließt die Tür gegen den Druck, was vor allem im Erdgeschoss vorkommt, wenn die Menschen aus dem Treppenraum ins Freie fliehen?" Im letzteren Fall bringt eine Lösung mit Türschließer hohe Bedienkräfte oberhalb der zulässigen Werte (nach DIN 18040-1) mit sich, da die Schließkraft auf die ungünstige Situation des Schließens gegen den Druck im Alltag eingestellt werden muss.

Wird der Nottreppenraum auch im Alltag genutzt?

Fluchtweg im Rathaus Leonberg.
Wird der Treppenraum nur für den Notfall genutzt, oder nicht?

Weiterhin spielt die Nutzung des Treppenraumes im Alltag eine Rolle: "Manchmal wird der Treppenraum wirklich nur für den Notfall genutzt. In anderen Fällen werden die im Notfall druckbelüfteten Bereiche aber auch im Alltag genutzt." Aus dieser Fragestellung ergebe sich dann die Anforderung an die einzusetzende Türtechnik, so Weizenhöfer: "Wenn keine barrierefreie Erreichbarkeit des Treppenraums im Notfall gefordert wird, weil es zum Beispiel anderweitig barrierefrei erreichbare sichere Bereiche gibt, können mittels geeigneter Türschließer die Anforderungen (der DIN 18040-1, Anm.d.Red.) in der Alltagsnutzung eingehalten werden. Hier ergeben sich bei einer Türflügelbreite von 1,25 Metern etwa 50 N Bedienkraft. Die zulässige Bedienkraft von maximal 100 N bei Betrieb der RDA-Anlage kann bei frühzeitiger Abstimmung von Türtechnik, Differenzdruck und Türblattgröße dennoch eingehalten werden. Muss dagegen die Anforderung einer barrierefreien Gestaltung erfüllt werden, beträgt die zulässige Bedienkraft nur 25 N, was einen Antrieb an der jeweiligen Tür erfordert. Die Unterschiede sind also erheblich!"

Genaue Abstimmung aller Beteiligten notwendig

Günther Weizenhöfers Fazit: "Man muss in jedem Fall die unterschiedlichen Einbausituationen betrachten und unabhängig davon auch die unterschiedlichsten Anforderungen an die Barrierefreiheit. Erst aus der Kombination beider Themen lässt sich die passende technische Ausstattung der Tür festlegen – unter Berücksichtigung der Stellschrauben wie Türgröße oder Anpassung des Differenzdrucks", so der Experte. Es würden so viele Faktoren mit zu berücksichtigen sein, "dass aus meiner Sicht von Beginn an eine enge Abstimmung zwischen Brandschutzplaner, Türfachplaner und dem Planer, der die Druckbelüftung plant, erforderlich ist, um zu einer wirtschaftlichen, guten Gesamtlösung zu kommen."  [gr]

Linktipp

Diesen Vortrag von Günther Weizenhöfer finden Sie hier auf YouTube.

Lebensgefährlich

Brände sind – von den Personenschäden abgesehen - für die betroffenen Betriebe stets existenzgefährdend. Eine Statistik aus Deutschland besagt, dass 70 Prozent der von einem Großbrand mit Millionenschaden heimgesuchten Betriebe innerhalb eines Jahres Insolvenz anmelden. Nicht umsonst also sind die Anforderungen an den Brandschutz in Gebäuden besonders hoch, insbesondere wenn sie öffentlich oder gewerblich genutzt werden. Die strengen Regelungen tragen Früchte, immerhin hat sich – ebenfalls in Deutschland - die Zahl der Menschen, die bei einem Brand oder durch seine Auswirkungen ums Leben kommen, in den vergangenen 30 Jahren mehr als halbiert.

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Metall