Globaler Wettbewerb

Europas Maschinenbau droht Auslese

Konjunktur
14.02.2023

 
Eine Analyse der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company zum Maschinen- und Anlagenbau zeichnet ein aktuelles Bedrohungsszenario für Maschinenbauer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Spanndorn

Starre Kostenstrukturen und hohe Verschuldung könnten ebenso wie der wachstumsstarke Wettbewerb aus China die Maschinenindustrie in Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) in arge Bedrängnis bringen.

Zwar wiegen hohe Auftragsbestände manchen Maschinen- und Anlagenbauer derzeit noch in Sicherheit. Doch die Anzeichen mehren sich, dass die konjunkturelle Talfahrt rund um den Globus auch diesen Sektor erfassen wird. In Deutschland, Österreich und der Schweiz könnte dies 28 Prozent der Branchenunternehmen in eine wirtschaftlich schwierige Lage bringen und damit den Ausleseprozess in dieser Schlüsselindustrie beschleunigen. Bei den Wettbewerbern aus den USA und China liege der Anteil der krisengefährdeten Maschinenbauer nur bei 17 beziehungsweise 8 Prozent.

Grafik Maschinenbauer DACH-Region

US-Konkurrenten haben derzeit Vorteile

"Der Maschinen- und Anlagenbau in der DACH-Region leidet seit Längerem unter strukturellen Defiziten", konstatiert Christian von Dewitz, Bain-Partner und Co-Autor der Analyse. "In dieser zweiten wirtschaftlichen Ausnahmesituation binnen kurzer Zeit könnte sich das für manche als Achillesferse erweisen."

Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz eher starren Kostenstrukturen seien dabei besonders von Nachteil. Speziell die Konkurrenten aus den USA könnten ihre Kosten in einem Abschwung erheblich schneller anpassen. Auch haben US-amerikanische Maschinenbauer 2021 mit durchschnittlich 13,1 Prozent eine deutlich höhere EBIT-Marge erzielt als Anbieter aus dem deutschsprachigen Raum, die nur 9,3 Prozent erreichten.

Chinas Anbieter legen deutlich zu

Ganz anders stellt sich die finanzielle Situation der aufstrebenden chinesischen Wettbewerber dar. Deren Bilanzen weisen in der Regel eine Nettoliquidität aus. In welchem Ausmaß der wirtschaftliche Aufstieg der Volksrepublik den globalen Maschinen- und Anlagenbau bereits verändert hat, verdeutlicht eine Langzeitanalyse der Jahre 2006 bis 2021. In diesem Zeitraum haben die börsennotierten chinesischen Anbieter ihre Umsätze um jährlich 9 Prozent erhöht.

Dagegen mussten sich die weltweit lange dominanten Vertreter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Schnitt mit Umsatzzuwächsen von 3 Prozent pro Jahr begnügen. Phillip Roberts, Bain-Partner und Co-Autor der Analyse, betont: "Wollen sich Maschinenbauer aus der DACH-Region gegenüber ihren chinesischen Wettbewerbern behaupten und auch unabhängig von der Konjunktur ihre Marktanteile halten, sollten sie schnellstmöglich Vorsorge treffen."

Mehr als die Hälfte der DACH-Hersteller sind resilient

Maschinenraum

Allerdings sind nicht alle Branchenplayer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gleichermaßen betroffen. Laut Bain-Analyse gehören immerhin 28 Prozent der Maschinenbauer aus der DACH-Region zur Gruppe der sogenannten "Krisenchampions". Dabei handelt es sich um Unternehmen mit solider Finanzierung und nachweislicher Kostenflexibilität, die den globalen Wettbewerb nicht scheuen müssen. Weitere 26 Prozent sind zumindest solide finanziert. Zur Kategorie der Wackelkandidaten wiederum zählen 18 Prozent. "Diese Anbieter laufen aufgrund ihrer Kapitalschwäche Gefahr, dass ihnen in einer länger andauernden Rezession die Luft ausgeht", so Roberts.

Auf Rezession vorbereiten

Aufspannpyramide

Handlungsbedarf sieht der langjährige Marktbeobachter bei allen Branchenvertretern, denn noch würden sich nicht alle Maschinenbauer systematisch auf eine drohende Rezession vorbereiten. Erforderlich sei eine differenzierte Planung für verschiedene Szenarien, um im Fall der Fälle rasch Entscheidungen treffen zu können. Für Roberts steht fest: "Je höher Kostentransparenz sowie -flexibilität sind und je solider die Bilanz in einer solchen Situation ist, desto größer ist der Handlungsspielraum." Vor diesem Hintergrund müssten gerade die krisengefährdeten Kandidaten alles daransetzen, ihre Flexibilität und Resilienz zu erhöhen. An einer Restrukturierung der Kosten führe kein Weg vorbei.

Chancen der Krise

Krisenchampions hingegen können ihre gute Ausgangslage nutzen, um das eigene Portfolio zu erweitern, die Digitalisierung voranzutreiben und sich so noch deutlicher von Wettbewerbern abzusetzen. Kapitalstarke Anbieter können zudem über gezielte Übernahmen die eigene Marktposition ausbauen.

Angesichts des aktuellen Umfelds, das von schwachen Konjunkturprognosen und hoher Inflation geprägt ist, steht der gesamte Maschinen- und Anlagenbau aus Sicht von Bain-Partner von Dewitz vor Herausforderungen. Doch in schwierigen Zeiten gäbe es immer auch Chancen. "Wer sich jetzt richtig aufstellt, kann gestärkt aus dieser globalen Krise hervorgehen", ist der Branchenexperte überzeugt. "Je entschlossener die Unternehmen handeln, desto größer sind ihre Chancen im nächsten Aufschwung." [gr]

Deutschland: Kein Polster zum Ausruhen

Die deutschen Werkzeugmaschinenhersteller verzeichneten im Jahr 2022 ein Produktions- und Umsatzplus von 10 Prozent, die WZM-Bestellungen waren allerdings im vierten Quartal rückläufig.

Im vierten Quartal 2022 sank der Auftragseingang der deutschen Werkzeugmaschinenindustrie im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3 Prozent. Dabei legten die Bestellungen aus dem (deutschen) Inland um 2 Prozent zu, die Auslandsorders sanken um 5 Prozent. Insgesamt ist die deutsche Werkzeugmaschinen-Nachfrage 2022 aber um nominal 18 Prozent gestiegen. Dazu haben In- und Ausland gleichermaßen beigetragen.

"Die Aufträge unserer Branche haben erwartungsgemäß Ende des Jahres ins Minus gedreht. Ursache ist auch ein sehr starker Vorjahreswert in der Auslandsnachfrage", kommentiert Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken), das Ergebnis. Nach Schätzung des VDW kann die deutsche Werkzeugmaschinenindustrie 2022 insgesamt ein Produktionsplus von 10 Prozent erzielen, drei Punkte mehr als noch im Herbst erwartet. Das entspricht einem realen Plus von 3 Prozent und einem Volumen von rund 14,1 Mrd. Euro.

Der deutsche Inlandsabsatz wächst nach einem schwachen Vorjahr mit 16 Prozent mehr als doppelt so stark wie der Export. Auch der inländische Verbrauch kann mit 15 Prozent zweistellig wachsen.

2023 ist die Branche mit einem deutlichen Auftragsüberhang gestartet. "Damit sind die Firmen für eine mögliche Auftragsflaute im ersten Halbjahr gut gepolstert", sagt Schäfer.

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