Interview

Heizung: Vom Kellereck ins Rampenlicht

Im Gespräch mit der GEBÄUDEINSTALLATION analysiert Austria Email-CEO Martin Hagleitner den derzeit überhitzten Heizungsmarkt und zeigt mögliche Zukunftsszenarien auf.
Martin Hagleitner

Ist es die Verknappung bestimmter Ressourcen oder sind es die attraktiven Förderungen, die bei Herrn und Frau Österreicher gerade jetzt den „Heizungstauschreflex“ auslösen?

Massiv gestiegene Betriebskosten – in Verbindung mit der deutlich spürbaren Inflation bei den täglichen Ausgaben – sowie die auch bei uns nicht mehr kleinzuredenden Auswirkungen der Klimakrise sind zentrale Motive. Der Ausbruch des Krieges und die damit verbundene Unsicherheit um die Versorgung sowie höhere Förderungen haben das zusätzlich befeuert. 

Stichwort „Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz“: Hat die Regierung Ihrer Meinung nach die richtigen Akzente gesetzt, oder hätten Sie es anders gemacht? Wenn ja, wie?

Die Regierung hat sich in der Klausur Anfang dieses Jahres auf Maßnahmen verständigt, die einen Beitrag zum Ausbau von Erneuerbarer Energie und zur Mobilisierung von Arbeitskräften leisten. In Anbetracht der gesteckten Klimaziele und der dafür nötigen Rahmenbedingungen sind das aber lediglich Mosaiksteinchen, und nicht der große Wurf. Von außen zuzurufen ist zwar immer einfach und die Regierung hat auch einiges zu Wege gebracht, wie z.B. die höchst überfällige Abschaffung der kalten Progression. Persönlich hätte ich mir zumindest die Grundzüge eines offensiven Reformpaktes gewünscht, das dem Kampf gegen Inflation, Energie- und Klimakrise sowie Fachkräftemangel eher gerecht wird. Selbst das für die Planbarkeit in Österreich zentrale Erneuerbaren-Wärme-Gesetz ist noch offen. 

Als Gründungsmitglied und Vorstand des Zukunftsforum SHL waren Sie auch in die Entscheidungsprozesse der Bundesregierung für eine versorgungssichere Energiewende eingebunden. Wo konnten Sie erfolgreich wirken, und wobei haben Sie sich bisher die Zähne ausgebissen? 

Die Gründung des Zukunftsforums SHL im Jahr 2017 zielte vor allem auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Erhöhung der Sanierungsrate von Heizungs- und Warmwasser-Systemen ab, sowie auf eine bessere Sensibilisierung der Konsumenten dafür. Seither ist teils auch in Zusammenarbeit mit anderen Verbänden einiges gelungen, wie z.B. die Verankerung unserer Anliegen im Regierungsprogramm, deutlich erhöhte und bis mindestens 2026 langfristig gesicherte Förderungen, die steuerliche Absetzbarkeit von Heizungsmodernisierungen oder auch der webbasierte „Quick Check Heizung“ als Orientierung für Verbraucher. 
Die hochambitionierten Klimaziele der Bundesregierung und der EU bedürfen zur Realisierung im Gebäudebestand aber noch zahlreicher Reformen auf Bundes- und Landesebene. Exemplarisch genannt seien dabei: Das ausstehende Erneuerbaren-Wärme-Gesetz plus praxisnahe Durchführungsregeln dazu, das Wohn- und Mietrecht, Anpassung der Förderungen zur Erhöhung der Treffsicherheit sowie steuerliche Anreize. 

Themenwechsel: Das Betriebsergebnis Ihres Unternehmens ist auch im vergangenen Jahr ein weiteres Mal kräftig nach oben gesprungen. Wie würden Sie den mittelfristigen Absatz Ihrer Heiz- und Warmwassersysteme einschätzen?

Wir können für 2022 einen kräftigen Umsatzzuwachs verzeichnen. Der Ertrag wird allerdings nicht im selben Ausmaß wie der Umsatz zulegen. Die Gründe dafür: Gestiegene Energie- und Materialkosten, die Sicherung von Gas Reserven für die Produktion aber auch die kollektivvertraglichen Steigerungen der Gehälter und ein Anstieg zugekaufter Leistungen wegen der Kapazitätsengpässe wirken kostentreibend. 
Mittelfristig kann die Branche meines Erachtens aufgrund der Nachfrage auf Endverbraucher-Seite sowie der Rahmenbedingungen vor allem in der Sanierung von anhaltend starkem Wachstum ausgehen. 

Als Motivationssprung für Ihre Mitarbei­ter*innen, die ja mit einer massiv erhöhten Nachfrage konfrontiert sind, haben Sie kürzlich 1.500 Euro als einmalige und freiwillige Prämie an alle Beschäftigten ausgezahlt. Inwieweit haben Sie ganz generell auf die Marktsituation reagiert? Können bei Ihnen Produktionskapazitäten bzw. Beschäftigtenstand ausgebaut werden?  

Schon 2021 haben wir Investitionen am Standort Knittelfeld zur Erhöhung der Fertigung von Pufferspeichern eingeleitet. Mit dem Kauf der Firma Thermic Energy in Deutschland und der Errichtung eines neuen Werkes am dortigen Standort wurde die Basis zur deutlichen Erhöhung der Kapazität auch bei Standspeichern gelegt. Verzögerungen auf Seiten der Anlagenlieferanten bedeuten, dass 2023 noch angespannt bleibt und wir die Mengen für unsere Kunden bedauerlicherweise kontingentieren mussten. Der Beschäftigtenstand im Jahr 2022 wurde von knapp 450 Mitarbeiter*innen auf über 480 Mitarbeiter*innen gesteigert (Zahlen inkl. Leiharbeiter*innen und inkl. Deutschland)
Beispiele für Maßnahmen im Rahmen der Recruiting-Offensive, ergänzend zur Mitarbeiter*innen-Suche über Medien und Social Media Kanäle: Durch Kooperationen mit Bildungsinstitutionen wie dem BFI und lokalen Schulungszentren werden Schweißer*innen für die Arbeit in der Austria Email AG begeistert und ausgebildet. Zusätzlich bestehen Kooperationen mit HTL-Netzwerken sowie eine Zusammenarbeit mit dem Alumni Netzwerk der Montanuni Leoben und den Fachhochschulen in der Steiermark. Mit regionalen Schulen setzen wir Aktionstage wie „Industrie zu Gast im Klassenzimmer“ um. 

Sie sind in letzter Zeit als Interviewpartner in der Tagespresse sehr präsent. Wie schafft man das? Haben Sie ein paar Tipps für uns, wie man bei Massenmedien in die Datenbank für beliebte Interviewpartner kommt?

Warmwasser und Heizung blieben lange Zeit unbeachtet und rangierten in der Aufmerksamkeit und auch auf der Ausgaben-Skala der Konsumenten sprichwörtlich im Keller. Das hat sich drastisch geändert: Das Thema steht im Kontext der Energiewende, steigender Energiepreise und der Energieeffizienz plötzlich im Rampenlicht und ist auch emotional entsprechend aufgeladen. 
Wenn wir gefragt werden, stellen wir nicht das eigene Unternehmen und die eigenen Produkte in den Vordergrund, sondern versuchen einen Service- und Orientierungsbeitrag gegen die herrschende Verunsicherung und Panik zu leisten. Wir verweisen in den Medien auch wiederholt auf die Fachinstallateure als Partner, die vor Ort bei Kunden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Aktuell naheliegend dabei ist auch der Hinweis auf die „kleinen Maßnahmen mit großer Wirkung“, um Energie und Kosten zu sparen. 

Auf Puls 4 gaben Sie kürzlich beispielsweise Tipps, wie Privathaushalte beim Heizen wirklich Geld sparen können. Ist es für einen Heizungsanbieter nicht kontraproduktiv, wenn er der Sanierung bestehender Anlagen das Wort redet, und nicht den Neukauf eines Heizungssystems empfiehlt?  

Wir sind gut beraten, den „Tausch-Rausch“ und die Panik nicht zusätzlich zu befeuern und auch die Verbraucher*innen beim Energiesparen nicht aus der Verantwortung zu nehmen. Es wird allgemein unterschätzt, was Jede und Jeder hier und heute selbst gegen die Krise unternehmen kann. 
Bei bestehenden neuwertigen und effizienten Anlagen wäre ein Neukauf auch ökonomisch und ökologisch verfehlt, zumal es diesbezüglich auch gesetzlich Übergangsfristen und hybride Lösungen geben wird. 
Man muss auch wissen: Eine Neuanschaffung bedarf vorab einer fundierten Beratung vor Ort und ist nicht einfach vergleichbar mit einer klassischen „Click and Collect“-Bestellung. Darauf weisen wir und unser Team auch konsequent hin. 

Letzte Frage: Wenn Sie eine Regierungsentscheidung bezüglich Energiewende frei hätten, die verbindlich umgesetzt werden müsste - wie würde diese lauten?

Sehr zugespitzt formuliert wirkt die Politik derzeit etwas „Geldspritzen-besessen“ und „Zukunfts-vergessen“, zu Lasten der Treffsicherheit der Maßnahmen. Auch die mediale Berichterstattung vermittelt ein Bild, das weit düsterer ist als die tatsächliche Stimmung. Was es jetzt braucht ist ein zukunftsfittes aber auch praktisch umsetzbares Wachstums- und Reformpaket zur Bewältigung von Inflation, Klima- und Energiekrise sowie Arbeitskräftemangel. Dieses Paket soll all den engagierten Bürger*innen und Unternehmen, die es zur Umsetzung braucht, auch den entsprechenden Rahmen bieten und die vorher erwähnten Bremsklötze entfernen.

Branchen
Haustechnik