Bau-Cycle

Baustoffe im Kreislauf

Forschung
27.09.2022

Von: Redaktion Bauzeitung
Das Forschungsprojekt Bau-Cycle erschließt nachhaltige Materialkreisläufe durch detaillierte Problemstoffanalysen.
Für Dämmstoffe lässt sich aufgrund der ­Inhomogenität kaum ein gemeinsamer Nenner finden.­

Die Umsetzung nachhaltiger Materialkreisläufe im Baustoffsektor lässt häufig (noch) zu wünschen übrig. Obwohl die Kreislaufwirtschaft aktuell eine globale Priorisierung erfährt, gibt es in diesem Bereich immer noch viele Unsicher­heiten und Hürden. In dem Forschungs­projekt Bau-Cycle entwickeln die Holzforschung ­Austria (HFA), das Österreichische Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) und das Österreichische Institut für Bauen und Ökologie (IBO), alle drei Mitglieder des Forschungsnetzwerks ACR (Austrian Cooperative Research), hierzu Know-how und praxisorientierte Lösungen.

Sortenrein ohne Schadstoffe

Was ist zu tun mit ausgedienten Baumaterialien, die im Zuge von Abbruchs-, Sanierungs- oder Umbauprojekten in rauen Mengen anfallen? Ob diese als Abfall entsorgt werden oder einen zweiten Lebenszyklus erfahren dürfen, hängt von mehreren ­Faktoren ab. Voraussetzung für ein hochwertiges ­Recycling ist zunächst die sortenreine Trennung einzelner ­Mate­rial­­segmente. Das alleine reicht aber nicht aus: Oft stehen im Material vorhandene Schadstoffe einer nachhaltigen Verwertung im Weg.

Hier setzt das Forschungsprojekt "Bau-Cycle: Nachhaltige Baustoff-Kreisläufe durch Materialanalyse und Schadstoffabtrennung" an. Gemeinsam forschen die HFA, das OFI und das IBO an ­Lösungen für die Materialgruppen Altholz, Altfenster (Holz/Kunststoff) und gealterte Dämmstoffe. Das mehrjährige Projekt der ACR-Programmlinie ­S­­trategische Projekte läuft noch bis Ende 2022 und wird vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gefördert.

Im Rahmen des Forschungsprojekts generieren die drei ACR-Institute neues Wissen und etablieren gemeinsam ein kooperatives Baustoff-Analysenlabor (BAL), das die Entwicklung materialspezifischer und praxisorientierter Analysemethoden für relevante Schad- und Störstoffe in den Vordergrund stellt. Damit soll es gelingen, ausgediente Baumaterialien rasch und unkompliziert auf mögliche Schadstoffe zu untersuchen und so Materialkreisläufe zu optimieren.

Altholz, Altfenster und Dämmstoffe

Die ­portable Röntgenfluoreszenz-­Analyse im Außeneinsatz auf der Baustelle.
Die ­portable Röntgenfluoreszenz-­Analyse im Außeneinsatz auf der Baustelle.

In einem ersten Schritt wurden im Projekt Bau-Cycle die definierten Materialgruppen analysiert und häufig auftretende Stör- bzw. Schadstoffe erfasst sowie spezifische Erkenntnisse gewonnen.

Altholz, insbesondere aus dem Außeneinsatz­bereich, kann mit unterschiedlichsten Problemstoffen belastet sein. Biozide oder Halogene können aus vorangegangenen Holzschutz- und/oder Flammschutzmittelbehandlungen stammen. Im Zusammenhang mit Recycling sind aber auch herkömmliche Beschichtungsanstriche kritisch zu betrachten. Insbesondere historische Applikationen stellen oftmals eine Quelle für Schwermetalle, z. B. Blei, Chrom, Cadmium oder Zink, dar.

Altfenster aus Holz werden in Österreich ausschließlich thermisch verwertet. Die Recyclingholzverordnung (BGBl. II Nr. 160/2012) spricht für diese Produktgruppe ein dezidiertes Recyclingverbot aus. Primäre Problemstoffquellen sind auch hier etwaige Holzschutzmittelbehandlungen und historische Beschichtungen. Asbesthaltige Fensterkitte stellen ein zusätzliches Risiko dar. Kunststofffenster werden zwar großflächig rezykliert, ein Ausschlusskriterium für das Vorhandensein von Schadstoffen ist dies jedoch nicht. Blei oder Cadmium, die in der Vergangenheit häufig zur Stabilisation von PVC-Kunststoffen eingesetzt wurden, bleiben über das Rezyklat jahrelang im Kreislauf und stellen damit auch heute noch ein aktuelles Problem dar. Verbundfenster werden kaum einer nachhaltigen Verwertung zugeführt, da eine sortenreine Trennung der einzelnen Material­fraktionen oft nicht möglich ist.

Für Dämmstoffe lässt sich aufgrund der Inhomogenität der Materialgruppe kaum ein gemeinsamer Nenner finden. Je nach Kategorie wurden in der Vergangenheit hochhalogenierte Flammschutz- oder Treibmittel verarbeitet, deren Einsatz nun schon seit Jahren verboten ist (z. B. Hexabromcyclodo­dekan-Flammschutz in XPS- und EPS-Platten) und die vor einem Materialrecyclingschritt ausgeschleust werden müssen. Auch Biozidbehandlungen sind fallweise möglich. Die selektive Separation einzelner Materialfraktionen ist besonders bei Wärmedämmverbundsystemen eine zusätzliche Hürde. Im Dämmstoffbereich gibt es zudem kaum spezifische Regulative, auf die man zurückgreifen könnte.

Kooperatives Baustoff-Analysen-Labor

Ein kooperatives Analysenlabor mit speziellem Fokus auf die Kreislauffähigkeit von Baumaterialien macht somit aus mehreren Gründen Sinn. Einerseits zielen legislativ geregelte Parameter vorrangig auf Umwelt- und Gesundheitsaspekte ab, im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufführung sind derartige Betrachtungen aber oft unvollständig. Andererseits ist aufgrund der großen Diversität von Baumaterialien die Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzen zielführend, wenn nicht unabdingbar.

So können im BAL alle relevanten Problemstoffe der genannten Materialgruppen und anderer Baustoffe analysiert werden. Eine Besonderheit ist die mobile Laboreinheit, die auf der Baustelle zum Einsatz kommt. Portable Röntgenfluoreszenz- und In­fra­rot-­­Spektroskopiegeräte können ohne aufwendige Probenvorbereitung eine Vielzahl von ­Elementen und Materialien nachweisen und unterstützen damit auch eine Klassifizierung von Materialfraktionen vor Ort. Spezifische Detailuntersuchungen werden hingegen im stationären Labor durchgeführt. Für organische Schadstoffe wie Biozide kommen chroma­tografische Analysentechniken wie die Flüssig- oder Gaschromatografie (HPLC, GC) zum Einsatz. Schwermetalle und andere Elemente werden mit der ­ICP-OES (optische Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma) untersucht. Halogene und Schwefel werden ionenchromatografisch analysiert. Für die Strukturanalyse von Baustoff­proben stehen zudem eine Vielzahl an mikroskopischen Techniken zur Verfügung.

[Autorinnen: Christina Fürhapper, Gabriele Eder, Hildegund Figl]

Zu den Autorinnen

DI (FH) Christina Fürhapper ist Projektleiterin im Fach­bereich Bioenergie und Chemische Analytik der Holzforschung Austria.
Dr. Gabriele Eder ist Expertin für Material­analytik und forscht als Senior Researcher am OFI.
Mag. Hildegund Figl forscht am IBO zu den Schwerpunkten Life-Cycle und Umweltverträglichkeit.

Das Logo des Bau-Cycle-Projekts

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