Umweltproduktdeklaration

Mehr Daten, bessere Entscheidungen

Nachhaltiges Bauen
14.03.2023

Warum man am Bau an Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declaration, kurz EPD) künftig nicht mehr ­vorbeikommen wird und worauf Planer und Ausführende achten sollten, erklärt Sarah Richter, ­Geschäftsführerin der Bau-EPD GmbH.

Warum sollten sich Planer und Ausführende für EPDs interessieren?

Sarah Richter, Geschäftsführerin Bau-EPG GmbH
Sarah Richter, Geschäftsführerin der Bau-EPD GmbH

Sarah Richter: Planer brauchen bereits in der ersten Designphase quantifizierte Umweltdaten, um entscheiden zu können, "Baue ich überhaupt, und wenn ja, was baue ich wie". Zudem werden in Zukunft Baugenehmigungen zunehmend von den Umweltperformancedaten der Gebäude abhängen. Anhand der EPD-Daten lässt sich relativ einfach ablesen, was die Haupttreiber der Umweltperformance sind, wo man durch den Einsatz alternativer Bau­stoffe z. B. das "global warming potential" senken kann, aber auch, in welchen Bereichen man mehr Spielraum hat. So lässt sich ein sinnvoller Variantenvergleich erstellen – im BIM-Modell im besten Fall sogar auf Knopfdruck. Das Novum ist, dass wir so die ökologische Performance gekoppelt an den Preis vergleichen können – was bei Bauherren und Investoren wesentlich zur Entscheidungsfindung beitragen kann. In der Ausschreibungsphase sind EPDs vor ­allem für den direkten Produktvergleich relevant. Dabei muss natürlich auf die technische Performance geachtet werden, damit die passenden Produkte miteinander verglichen werden.

Was ändert sich durch EPDs für KMUs in der Ausführung?

Richter: Was für die Ausführenden am Bau dazu kommt, ist die Prüfthematik über die Liefer- und Einbaukette. Bis jetzt war es nicht so wichtig, welche Produkte von welchem Hersteller eingebaut wurden, solange die technische Performance stimmte. Geht es um die Umweltperformance, sind die Produkte nicht mehr so einfach austauschbar, schließlich muss mitunter ein lückenloser Lieferkettennachweis erbracht werden. Im Zuge dessen wird der Dokumentationsaufwand für Ausführende ansteigen, da sie belegen müssen, dass genau das drinnen ist, was bestellt wurde. Das muss auch von der ÖBA kontrolliert werden, z. B. über eine punktuelle Prüfung der Lieferscheine oder Stichprobenprüfung auf der Baustelle. Umgekehrt können KMUs mit genau jenen Fachkenntnissen über nachhaltige Produkte – Bezugsquellen und Verarbeitungsrichtlinien – punkten. 

Sind EPDs auch im Bereich der Sanierung ein Thema?

Richter: Definitiv! Auch sanierte Objekte werden eine Gesamtperformance nachweisen müssen. Die Sanierung ist eine Nische, wo handwerkliches Personal gebraucht wird. Hier muss die neue Frage aller­dings lauten: "Wie wenig Material brauchen wir?" Beziehungsweise: "Was ist das sinnvollste Material an welcher Stelle?" Das Ziel ist schließlich, möglichst wenig neu zu bauen, und wenn, dann mit möglichst wenig ­Boden-, Ressourcen- und ­Materialverbrauch. Wie können wir gezielt Kreislaufwirtschaft betreiben? KMUs werden bei diesem Thema künftig einen Beratungsauftrag ­haben, und es wird notwendig sein, den Lebenszyklus von Produkten und ­Gebäuden mitzudenken. Der Push zum Life­cycle kommt bereits von den Baustoffherstellern, die ihre EPDs in den grünen ­Bereich treiben wollen. Die Ausführenden könnten sehr gut auf den Zug aufspringen und ihre Expertise erweitern. Pilotprojekte für Sammel- und Auf­bereitungsanlagen gibt es bereits – was fehlt, ist der politische Rückhalt und die notwendige Infrastruktur, um diese Pilotprojekte in die breite ­Fläche zu bringen.  

Was wären hilfreiche Maßnahmen vonseiten der Politik?

Richter: Ein großer Treiber für die Kreislaufwirtschaft wäre die Besteuerung von Primärmaterial und die Erleichterung des Einsatzes von Recyclingmaterial. Wenn Rückbau und Wiederverwertung zum Geschäft werden und wenn es für die bessere Umweltperformance mehr Förderungen gäbe, würde sich das Blatt schnell drehen. Derzeit orte ich aber noch nicht viel politisches Engagement, obwohl es bereits sinnvolle Konzepte von Baustoffherstellern gibt. Es müssten alle Player an einen Tisch, um aus der derzeitigen EPD­-Performance der Bauprodukte eine Kreislaufperformance zu machen. 

EPD ist nicht gleich EPD – es gibt unterschiedliche Berechnungsmethoden und Hintergrund­datenbanken. Muss man als Planer darauf achten?

Richter: Für interne Analysen auf Gebäudeebene wäre es zwar gut, sich möglichst konsistent in einer Datenbank als Grundlage zu bewegen, aber es ist nicht zwingend notwendig. Fehlende Datensätze können aus anderen Quellen ergänzt werden. Sobald es um Förderungen, Zertifikate oder Umweltzeichen geht, ist es jedoch unerlässlich, sich dabei an sehr genaue Regeln zu halten. Zum Leidwesen ­aller sind diese Regeln derzeit in Deutschland und Österreich unterschiedlich. Ich bin aber guter Hoffnung, dass zumindest das Grundlagendatenbank-Problem noch 2023 gelöst ­werden könnte, wenn Betonfertigteile und Metallbauprodukte im Zuge der ersten beiden EU-Pilotprojekte relativ bald ihre verpflichtenden EPD-Vorgaben ­bekommen. Ein notwendiger Schritt dazu vonseiten der EU wäre, dass für die Berechnung der EPD-Daten nicht nur eine Free-Software, sondern auch eine – idealerweise ­kostenlose oder zumindest sehr kostengünstige – Datenbank zur Verfügung steht, damit alle die Möglichkeit zur Umsetzung haben. 

Wie konkret sind die Pläne der EU-Kommission?

Richter: Ziemlich konkret. Die Kommission müsste entweder eine eigene Datenbank schaffen oder eine der bestehenden kaufen bzw. über Lizenzrechte den Zugang bereitstellen – eine erste Entscheidung dazu soll bereits Mitte des Jahres fallen. Wenn diese Entscheidung einmal gefallen ist, wäre es sehr sinnvoll, dass der Gebäudesektor umsteigt und für Förderungen, Zertifikate und Gebäudepässe jeglicher Art auf die Daten ­einer einheitlichen EPD-Datenbank zurückgreift. Bestehende EPDs können einfach umgeschrieben werden. Das würde in Zukunft auch dazu führen, dass sich die Daten­banken schneller füllen. Aktuell ist es noch so, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen, und das kann durchaus zu Problemen führen, wenn es um Förderungen etc. geht. 

Wie häufig sind EPDs in Ausschreibungen bereits enthalten?

Richter: In den skandinavischen Ländern ist man schon viel weiter; und auch bei Zertifikaten wie Leed bekommt man Punkte, wenn man EPDs hat. In Österreich gibt es hingegen noch keine Verpflichtung, EPDs in den Ausschreibungskatalog mit aufzunehmen. Die EU-Kommission arbeitet derzeit ja schon an verpflichtenden Vorgaben, allerdings ist bis 2045 – wenn die Übergangsfrist für die neue EU-Bauproduktenverordnung auslaufen soll und es wirklich für alle Bauprodukte gilt – noch einige Zeit. Deshalb würde es wahrscheinlich nicht schaden, wenn Auftrag- und Fördergeber bereits im Vorfeld LCA-Daten verlangen würden. Hier sind wir wieder bei dem Punkt, dass die Politik gefordert ist, dies in ihre Konzepte einzuarbeiten. Vor acht Jahren haben wir schon einen Anlauf gestartet, da wurde es mit der Begründung, es gebe zu wenig EPDs, abgelehnt. Aber jetzt dreht sich das gerade, und da wäre es durchaus möglich, zumindest in freiwilligen Zertifikaten Punkte für spezifische LCA-Daten von Baustoffen zu vergeben.

Gibt es immer noch zu wenige EPDs?

Richter: Es gibt ungefähr 60 EPDs mit ca. 150 Datensätzen von der Bau-EPD GmbH für die Anwendung in österreichischen ­Anwender-Szenarien. Die Zahl wird aller­dings schnell steigen, wenn Tools wie zum Beispiel der LCA-Rechner der Zement­industrie eingeführt werden. Wichtig wird in Zukunft außer­dem, die Datensätze der derzeitigen Branchen-­EPDs in Einzel-EPDs aufzuflechten. Für die Hersteller ist das nicht viel zusätzlicher Aufwand, und je mehr ­Daten uns künftig zur Verfügung stehen, umso ­bessere Entscheidungen können wir für unsere Umwelt treffen.

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