Wege aus der Energiearmut

Dämmung
07.10.2014

Von: Redaktion Bauzeitung
Bei der vierten Podiumsdiskussion der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme stand das Thema Energiearmut im Zentrum der Experten und wie Wärmedämmung ein möglicher Weg sein könnte.
Clemens Hecht, Tania Berger, Caroline Nwafor, Anja Christanell, Georg Reinberg, Moderator Volker Dienst bei der Diskussion

Kalte Wände und Böden, ungeheizte Räume, Schimmelbefall, undichte Fenster und Eingangstüren, unbezahlte Strom- und Gasrechnungen bis hin zur Energieabschaltung: Die Belastungssituation und die Anzahl von Energiearmut betroffener Haushalte sind alarmierend. Welche Gegenmaßnahmen möglich, nötig und zielführend sind, stand im Mittelpunkt des vierten QG Talks der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme (QG WDS).

Derzeit leiden laut Statistik Austria 263.000 Menschen in Österreich an Energiearmut, Wärmedämmung könnte laut der einstimmigen Meinung der Experten eine Hilfestellung liefern. Sie hilft die Gebäude energieeffizienter zu machen, die Umsetzung ist jedoch eine komplexe Angelegenheit wie die Diskussion zeigte. Für Anja Christanell, Geschäftsführerin Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung (ÖIN) und Projektleiterin „Pilotprojekt gegen Energiearmut“, ist Energiearmut ein Querschnittsthema, das soziale Verantwortung genauso wie Politik und Wirtschaft fordere. „Wichtig ist, dass bei den möglichen Lösungsansätzen auf die Erfahrungen aus der Praxis zurückgegriffen wird“, so Christanell und verweist auf sechs definierte Gegenmaßnahmen: 1. Erhöhung der Sanierungsquote und Priorisierung thermischer Sanierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung; 2. Niederschwellige, kostenlose Vor-Ort-Beratung mit Sofortmaßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz; 3. Einrichtung eines Energieunterstützungsfonds; 4. Verbot von Energieabschaltungen im Winter; 5. Möglichkeit der Befreiung von verbrauchsunabhängigen Kostenbestandteilen von Strom, Gas und Fernwärme sowie eine Steuerbefreiung; 6. Entwicklung und Finanzierung einer nationalen Strategie unter Federführung eines Ministeriums. Notwendig seien für den Maßnahmenkatalog Partner von Seiten der Regierung und der Energiewirtschaft.

Starke Partner wünscht sich auch die Projektleiterin des Verbund Stromhilfefonds der Caritas Caroline Nwafor. Denn mit der Hilfeleistung stoße das Projekt an seine Grenzen: „Wir beraten und leisten Soforthilfe, wie die Reparatur oder den Austausch von energiefressenden Geräten. Aber notwendig sind thermische Sanierungsmaßnahmen.“ Laut Nwafor leben cirka siebzig Prozent der KlientInnen in Gebäuden, die dringend saniert werden müssten, der notwendige Eigenmittelanteil jedoch nicht aufgebracht werden könne.

Die Diskussion auf eine Metaebene bringen, war auch der Wunsch von Tania Berger, Projektteam RedEn! von der Donau-Universität Krems. Das Dreigestirn an Ursachen von Energiearmut sind Energiepreise, Einkommen und Energieeffizienz von Gebäuden. „Langfristig gesehen sind energieeffiziente Gebäude sicher der entscheidende Faktor um zu verhindern, dass Menschen im Kalten wohnen müssen mit all seinen Folgen.“ Sie sieht die Problematik im leistbaren Wohnraum, der den Betroffenen mittelfristig zur Verfügung gestellt werden müsse. Berger warnte vor der Gentrifizierung im städtischen Raum, denn geförderter Wohnbau sei eine Mittelstandsförderung.

Die große Chance bei Wärmedämmung und Energieeffizienz sieht Architekt Georg Reinberg darin, dass Mieter und Öffentlichkeit gleichermaßen davon profitieren. Durch energieeffiziente Gebäude werde den Mietern warm und die Umwelt werde geschont. „Wir haben die technische Möglichkeit in den Schubladen, dass wir Gebäude bauen, die man fast nicht mehr heizen muss.“ Häuser, die Energie produzieren, sind nach Reinberg die Zukunft. Doch sei dafür noch viel Denkarbeit notwendig.

Energiearmut ist nach Clemens Hecht, Sprecher der Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme, ein komplexes, schwieriges und emotional besetztes Thema. „Es ist schwierig darüber zu diskutieren, wenn man selber nicht betroffen ist. Für die Zukunft ist es erstrebenswert, wieder soziale Verantwortung zu übernehmen.“ Die Erhöhung der Sanierungsrate durch Anreizmodelle sei notwendig, so Hecht. Nur so könne das Mieter/Vermieter-Dilemma umgangen werden. 

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