LCM-Kolumne

Können wir uns Bauvorhaben ohne Lean noch leisten?

Lean Management
01.12.2021

Verschwendungsthemen sind einfach zu identifizieren. Bewusst die Prozesse von Bauprojekten zu betrachten, bringt rasch Erkenntnisse über ineffiziente oder suboptimale Abläufe.

In einer Studie von Shervin Haghsheno wurde ermittelt, dass circa 20 Prozent bis 70 Prozent der Prozesse bei Bauprojekten nicht wertschöpfende und nicht notwendige Tätigkeiten sind. Mit anderen Worten geht es um Verschwendung. Es entstehen frustrierte Aufwendungen im Personal-, Material- und Gerätebereich, welche wiederum eine Kostenmehrung nach sich ziehen. Gleichzeitig befinden wir uns in einem Umfeld, in dem Ressourcen aller Art knapper werden. Um auch in der Zukunft ökonomisch interessante Bauprojekte umsetzen zu können, muss daher das Thema ganzheitlich angegangen werden.

Ökonomische Betrachtung

In einem Lean-geführten Projekt schafft man bereits in der ersten Wertschöpfungsebene, beispielsweise beim Fachplaner oder Subunternehmer, durch effiziente und optimierte Prozesse eine Reduktion des Ressourceneinsatzes und damit einen monetären Mehrwert.

Die nächste Ebene hat durch diese Vorgehensweise ebenfalls einen geringeren Aufwand, beispielsweise in der Koordination der Arbeiten oder mit kürzeren Durchlaufzeiten von Planungs- und Bauphasen. Diese Effekte lassen sich bis zum Bauherrn hochgenerieren. Für alle entsteht somit eine Win-win-Situation. Die Voraussetzung dafür ist, dass alle beteiligten Personen das Lean Management mittragen und sich entsprechend einbringen. Aus Erfahrung ist eine Kostenersparnis von circa zehn bis 20 Prozent möglich.

Ökologische Betrachtung

Unter der Berücksichtigung, dass global gesehen circa 50 Prozent aller gewonnenen Ressourcen und circa 40 Prozent der gesamten erzeugten Energie in die Errichtung von Bauwerken fließen, hat die Baubranche einen bedeutenden ökologischen Aspekt. Insbesondere unter dem Umstand, dass zukünftig eine CO2-Steuer das Bauen teurer machen wird, sind beispielsweise neben dem Einsatz von nachhaltigen Materialien auch die Planungs- und Bauprozesse nachhaltig zu gestalten. Denn es liegt auf der Hand, dass jede Verschwendung (zum Beispiel nochmaliger An- und Abtransport von Personal, Material und Geräten) einen CO2-Ausstoß verursacht.

Die Vision des Autors lautet, dass spätestens 2030 alle Baustellen in Österreich nach den Lean-Prinzipien abgewickelt werden. Somit wäre Österreich bei dem Versuch, bis 2040 die Vorgaben der im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Ziele (= Klimaneutralität) zehn Jahre früher zu erreichen, einen wesentlichen Schritt näher. Im Sinne der Vorbildwirkung sollten insbesondere die öffentlichen Auftraggeber hier voranschreiten und unter anderem Lean Construction Management als Standard für ihre Bauprojekte implementieren.

Aufgrund des großen Auftragsvolumens im öffentlichen Bereich ist mit dem damit verbundenen Ressourceneinsatz auch ein großes Potenzial zur CO2-Reduktion gegeben. Zusätzlich ist eine raschere Verbreitung des Lean-Gedanken möglich. Natürlich sind ebenfalls alle privaten Bauherren und Bauunternehmen angehalten, damit zu arbeiten und einen Beitrag für Green Buildings zu leisten. Green-washing-Kampagnen sind dann nicht mehr notwendig, da tatsächlich auch etwas aktiv gegen den nicht notwendigen CO2-Ausstoß getan wird. 

Es wird durch diese Umstände klar, dass mittlerweile ökologisches und ökonomisches Bauen einen Schulterschluss bilden und Lean Management eines der verbindenden Elemente ist. Nur so werden wir uns zukünftig das Bauen noch leisten können.

Praxistipp

Verschwendungsthemen sind meistens nicht schwer zu identifizieren. Bewusst die Prozesse von Bauprojekten zu betrachten oder beispielsweise eine Baustellenbegehung unter diesem Aspekt durchzuführen, bringt rasch Erkenntnisse über ineffiziente oder suboptimale Abläufe. Die festgestellte Verschwendung ist zu dokumentieren und zu visualisieren, und im Sinne des Lean Managements sind mit den Prozessbeteiligten gemeinschaftlich Lösungen zu erarbeiten. (ch)

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