OGH-Entscheid

Begründung des Schlusszahlungsvorbehalts

Zahlung
13.06.2022

Der Oberste Gerichtshofs beschäftigt sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage, inwieweit ein Schlusszahlungsvorbehalt begründet sein muss, um wirksam zu sein.

Die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt gemäß Punkt 8.4.2 der ÖNorm B 2110 nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Es handelt sich dabei um zwei unterschiedliche Vorbehalte – einer darauf begründet, wenn in der Schlussrechnung nicht sämtliche Leistungen abgerechnet werden, der andere, wenn der Auftraggeber einen vom Schlussrechnungsbetrag abweichenden Betrag zahlt. Beide Vorbehalte sind schriftlich zu begründen.

Der Sinn dieser Regelung liegt darin, dass strittige Forderungen bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit geklärt werden und der Auftraggeber innerhalb eines überschaubaren Zeitraums das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen absehen kann.

Auch wenn bei der Verpflichtung, den Vorbehalt zu begründen, keine unnötigen, vom Normzweck nicht verlangte Hürden aufgebaut und die Anforderungen an den Werkunternehmer nicht überspannt werden dürfen, muss der Vorbehalt nach der Rechtsprechung die vorbehaltenen Ansprüche in erkennbarer Weise individualisieren und wenigstens schlagwortartig den Standpunkt des Werkunternehmers erkennen lassen. Erklärungen wie jene, dass man die Abstriche beeinspruche und die Korrekturen falsch seien oder dass die vorgenommenen Rechnungskorrekturen, Nichtanerkenntnisse, Streichungen und Skontoabzüge keinesfalls zu akzeptieren seien, hat der Oberste Gerichtshof als mangelhaft begründet angesehen.

Aktuelle Entscheidung

Der Auftragnehmer begehrte den aushaftenden restlichen Werklohn. Der Auftraggeber wandte ein, Rechnungen seien nach Prüfung und zutreffenden Korrekturen fristgerecht unter Abzug des Skontos bezahlt worden. Entgegen der ÖNorm B 2110 habe der Auftragnehmer das Aufmaß der durchgeführten Arbeiten in der Schlussrechnung nicht übermittelt. Mangels schriftlich begründeten Vorbehalts schließe die Annahme der Schlusszahlung aufgrund der Schlussrechnung nachträgliche Forderungen aus. Die Erklärung des Auftragnehmers lautete: "Zu den vorgenommenen Korrekturen der Schlussrechnung muss ich mit Verwunderung feststellen, welche Abweichungen hier zustande gekommen sind?!".

Der Auftraggeber hatte nach Rechnungslegung den Eindruck erweckt, dass die noch nicht ausgeräumten Unstimmigkeiten in einem Gespräch geklärt werden können, ohne im Hinblick auf die Frist für den Anspruchsverlust und deren Zweck auf eine rasche Klärung zu drängen, um sich des Ausmaßes seiner Verpflichtung sicher zu sein. Erstmals im gerichtlichen Verfahren berief er sich auf die Verfristung des Anspruchs.

Der Oberste Gerichtshof (13. 12. 2021, 5 Ob 200/21d) entschied, dass es im konkreten Fall keinen Anspruchsverlust rechtfertigt, dass die Erklärung des Auftragnehmers keinen Grund für einen Einwand nennt und unbestimmt gehalten ist. Die Berufung des Auftraggebers auf eine mangelhafte Begründung des Vorbehalts verstoße gegen Treu und Glauben.

Der durch den Ablauf einer anspruchsvernichtenden Frist Begünstigte müsse die Ausübung des Rechts auch nach abgelaufener Frist zulassen und ein (möglicherweise) erloschenes Recht hinnehmen, wenn seine Berufung auf die Präklusion gegen Treu und Glauben verstößt. Dies ist der Fall, wenn er beim anderen nach objektiven Maßstäben den Eindruck erweckt, er werde dessen Ansprüche nur mit sach­lichen und nicht formalen Einwänden bekämpfen. Es reicht aus, wenn der Schuldner den Gläubiger (unbewusst) veranlasst, den Anspruch nicht innerhalb der Frist geltend zu machen.

Fazit

Die aktuelle Entscheidung zeigt wieder einmal, dass es immer auf den Sachverhalt des Einzelfalls ankommt. Für den Auftragnehmer ist es unbedingt ratsam, den Schlusszahlungsvorbehalt möglichst detailliert zu begründen, um eine solche Ungewissheit und einen möglichen Anspruchsverlust schon an dieser Stelle auszuschließen. Für den Auftraggeber ist es verpönt, den Auftragnehmer hinzuhalten und dann Verfristung einzuwenden.

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