Bieterverfahren in der EU

Die Rechte von Bietern aus Drittstaaten

Bauauftrag
09.12.2024

Jeder Staat versucht (mehr oder weniger), die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an ausländische Bieter einzuschränken. EU oder nicht EU macht dabei einen großen Unterschied, wie ein türkisches Unternehmen in einem Bieterverfahren erfahren musste.
Internationale Bauaufträge

Allerdings ist es gerade der Hauptzweck des EU-Vergaberechts, dass Bieter aus EU- und EWR-Ländern bei öffentlichen Aufträgen nicht diskriminiert werden. Bieter aus Drittstaaten – die also ihren Sitz außerhalb der EU und des EWR haben – sind vom EU-Vergaberecht aber grundsätzlich nicht erfasst.
Diese Unterscheidung hat der Europäische Gerichtshof in einer aktuellen Ent­scheidung (22.10.2024, C-652/22) klar getroffen.

Der Ausgangsfall

In Kroatien wurde ein Großauftrag im Eisenbahnbau ausgeschrieben. An erster Stelle lag letztlich ein bekanntes Kärntner Bauunternehmen. Der Auftraggeber wollte diesem den Auftrag erteilen, nachdem er ihm nach Angebotslegung nochmals die Gelegenheit gegeben hatte, seine Leistungsfähigkeit nachzuweisen.
Ein anderer Bieter bekämpfte dies bei Gericht. Das kroatische Gericht stellt dann die Frage an den EuGH (dieser hat das Auslegungsmonopol für die EU-Vergaberichtlinien), ob das nach EU-Vergaberecht zulässig war, insbesondere auch Nachweise zu akzeptieren, die dem Angebot noch nicht beigelegt waren.

Die Entscheidung

Der EuGH beantwortete diese Frage nicht, sondern wies sie als unzulässig zurück. Der Grund dafür war folgender:
Jener Bieter, der bei Gericht die Entscheidung angefochten hatte, hat seinen Sitz in der Türkei. Die Türkei ist aber weder EU- noch EWR-Mitglied und auch nicht Mitglied anderer internationaler Abkommen, auf Basis derer die EU eine Gleichbehandlung bei öffentlichen Auftragsvergaben zugesagt hat (typischerweise beruhen solche Zusagen in internationalen Abkommen auf Gegenseitigkeit, also verbunden mit entsprechenden Rechten für Unternehmen aus der EU in den Drittstaaten).
In Betracht käme als solches Abkommen insbesondere das Übereinkommen der Welthandelsorganisation über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA), das aber, wie erwähnt, die Türkei nicht einschließt.
Daher, so folgerte der EuGH, hat dieser Bieter kein Recht, sich auf die Einhaltung der EU-Vergaberechtsvorschriften zu berufen. Daraus ergab sich, dass die Auslegung der EU-Vergaberichtlinien für die Beurteilung des Sachverhalts irrelevant war, sodass die Fragen vom EuGH eben als unzulässig betrachtet wurden.
Übrigens war in früheren Übereinkommen mit der Türkei (die immer noch gelten) schon vorgesehen, diese stärker in den EU-Wirtschaftsraum einzubinden und ihren Unternehmen auch den gleichen Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu ermöglichen; aber diese geplante Einbindung hat – da die Verhandlungen mit der Türkei ja diesbezüglich nicht weitergeführt wurden – nie stattgefunden.
Das bedeutet noch nicht, dass die gegenständliche Ausschreibung dem türkischen Bieter z.B. ein Recht auf Gleichbehandlung und/oder auf Anfechtung von Auftraggeberentscheidungen einräumen hätte können (das ist zulässig, soweit es keine „Ausschlussmaßnahmen“ auf EU-Ebene gibt, wie z.B. derzeit für russische Unternehmen aufgrund der Sanktionen); aber für diese Prüfung ist der EuGH nicht zuständig, das muss das nationale kroatische Gericht selbst erledigen.
Hinsichtlich der nationalen Rechtsordnungen wies der EuGH darauf hin, dass diese eine allgemeine Zulassung von Unternehmen aus solchen Drittstaaten, mit denen auch keine einschlägigen internationalen Abkommen geschlossen wurden, gar nicht regeln dürfen, denn dies ist eine ausschließliche EU-Gesetzgebungskompetenz.

Ausschluss ist legitim

Das bedeutet natürlich auch, dass die EU-Mitgliedsstaaten solchen Unternehmen solche Rechte nicht einräumen müssen, sondern es grundsätzlich – jedenfalls von Seite der EU – erlaubt ist, Unternehmen aus Drittstaaten, mit denen keine einschlägigen internationalen Übereinkommen bestehen, schlechter zu behandeln oder sogar vom Wettbewerb für öffentliche Aufträge auszuschließen.

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