Interview

"Wir sind Partner, nicht Claimer"

Bauindustrie
22.06.2022

Mehr Fokus auf Partnerschaftlichkeit und ­Kernkompetenzen: Dywidag-Geschäftsführer Gerald Höninger über Zukunftsstrategien.
Gerald Höninger ist seit 23 Jahren beim oberösterreichischen Bauunternehmen ­Dywidag und seit 2016 Geschäftsf­ührer.
Gerald Höninger ist seit 23 Jahren beim oberösterreichischen Bauunternehmen ­Dywidag und seit 2016 Geschäftsf­ührer. 

Die Baubranche hat derzeit gleich mit einer Vielzahl an Herausforderungen zu kämpfen. Wie Dywidag durch diese anspruchsvolle Zeit kommt, warum Digitalisierung immer mit Augenmaß betrieben werden sollte und wie Partnerschaftsmodelle auch bei den derzeitigen Preisexplosionen helfen können, erzählt Dywidag-Geschäftsführer Gerald Höninger im Interview. 

Dywidag realisiert derzeit zahlreiche Groß­projekte – wie geht es Ihnen in Hinblick auf die Kostenentwicklung der letzten Monate?

Gerald Höninger: Es ist für uns alle eine sehr volatile Zeit. Die Verunsicherungen führen zu Verzögerungen, und das können wir alle nicht brauchen. Wir wollen bauen, und wir wollen auch Umsatz machen. Bei laufenden Projekten versuchen wir die ­Kosten bestmöglich im Griff zu behalten, aber das gelingt nicht in allen Bereichen. Bei langjährigen Partnern ist für diese Situation durchaus Verständnis vorhanden – aber grundsätzlich ist es natürlich schwierig, die Kosten weiterzugeben. 

Denken Sie, der Markt wird sich bald wieder ­etwas beruhigen?

Höninger: Aktuell haben wir ein sehr hohes, aber stabiles Niveau erreicht. Allerdings wurden bereits weitere Steigerungen angekündigt. Demnach erwarte ich bis zum Jahresende jedenfalls keine nennens­werte Entspannung. 

In verschiedenen Bereichen werden schon Projekte verschoben und zum Teil auch gestoppt. Machen Sie sich Sorgen vor einem Auftragsloch?

Höninger: Seit einigen Jahren fokussieren wir uns in der Dywidag erfolgreich verstärkt auf Groß­projekte. Hier sind wir derzeit sehr gut ausgelastet. Wir haben einige Projekte in der Pipeline – nun muss man abwarten, ob diese trotz gestiegener Kosten ­realisiert werden können. Geplant wird nach wie vor. Ein Vorteil für uns ist, dass wir mittlerweile rund ein Drittel unserer Projekte in Form von Partnerschaftsmodellen abwickeln. Dank der frühen Art der Zusammenarbeit im Rahmen eines Early Contractor Involvements können wir bereits frühzeitig Optimierungsvorschläge einbringen, und dadurch gelingt es uns auch, Projekte trotz Kostendrucks umzusetzen. 

Ein Drittel der Projekte in Form von Partnerschaftsmodellen ist viel, dafür dass das Thema in Österreich noch vergleichsweise neu ist.

Höninger: Sie sagen es selbst: in Österreich. Hier haben wir lange gebraucht, bis Auftraggeber diesen Gedanken aufgenommen haben. In Deutschland ist es schon viel länger üblich, und dort haben wir unsere ersten Erfahrungen gesammelt. Indem wir als Ausführende frühzeitig in den Planungsprozess eingebunden sind, vermeiden wir die ständigen Änderungen, die bei baubegleitender Planung stattfinden. Diese sind normalerweise immer mühsam, kosten Geld und verzögern den Baufortschritt. Das ist nicht der Weg, den wir bevorzugen.

Lässt sich diese Produktivitätssteigerung aufgrund von Partnerschaftsmodellen auch in Zahlen abbilden?

Höninger: Das lässt sich schwer messen, jedoch liegen die Vorteile klar auf der Hand. Einerseits steht dem Auftraggeber das Know How des GU von Beginn an zur Verfügung, andererseits hat er sehr bald ­Kostensicherheit für sein Projekt. 

Wenn wir schon beim Thema Produktivitätssteigerung sind: Building Information Modeling und Lean sollen hier ja auch einen wesentlichen Beitrag leisten. Wie ist Ihr Zugang dazu? 

Höninger: Man darf die Zeichen der Zeit nicht übersehen, und da gehört BIM natürlich dazu. ­Aktuell erstellen wir Modelle für den Eigen­bedarf oder übernehmen, wie zum Beispiel beim ­Quadrill-Tower, Modelle von den Planern. Derzeit gibt es große Anstrengungen in der Branche Standards und Schnittstellen zu schaffen. Erst wenn das erreicht ist und BIM zum Qualitätsstandard einer Immobilie wird, wird es sich durchsetzen. 

Ich bin absolut dafür, moderne ­Instrumentarien ­einzusetzen, aber nur, wenn sie nicht zum Selbstzweck werden.

Gerald Höninger, Dywidag

Wie geht es Ihnen mit Lean?

Höninger: Lean wird ja derzeit als Allheilmittel dargestellt – als hätte man vor Lean nicht auch erfolgreich Projekte abgewickelt. Lean ist eine sehr praktikable Methode des Projektmanagements, aber für unsere Mitarbeiter gehört tagesaktuelles Projektmanagement schon immer zum Tagesgeschäft. Ich will es nicht schmälern, es ist eine gute ­Methode, und wir wenden es auch an, allerdings mit unterschied­lichem Erfolg. Dort, wo ein hoher Wiederholungswert gegeben ist wie zum Beispiel bei Hochhäusern, ist es eine sehr gute Methode, bei komplexen ungleichförmigen Arbeiten ist der Aufwand deutlich höher und der ­Effekt damit geringer. Zusammengefasst: Es ist sicher ein gutes Tool, aber eben nur so gut wie die Leute, die es betreiben. Ich bin absolut dafür, moderne Instrumentarien einzusetzen, aber nur, wenn sie nicht zum Selbstzweck werden. Das gilt jetzt nicht nur für Lean, sondern auch für die gesamte Digitalisierung. Dort, wo es Sinn macht, ja – aber immer mit Augenmaß. 

In welchen Bereichen findet Digitalisierung neben BIM bei Dywidag statt?

Höninger: Vor zwei Jahren haben wir intern ­einen massiven Digitalisierungsprozess im kaufmännischen Bereich gestartet. Das Ziel ist ein weitgehend papierloses Büro. Wir haben grundlegend alles durchforstet und in Bezug auf Effizienz und Doppelgleisig­keiten analysiert. Oft werden Baustellenteams mit Büro­kratie überfrachtet. Hier wollen wir Erleichterung schaffen, damit sich unsere Mit­arbeiter*innen wieder besser auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. Der Prozess ist beinahe abgeschlossen, die ersten Module sind bereits ausgerollt, der Rest folgt noch heuer.

Was genau wurde alles umgestellt?

Höninger: Da ging es vor allem um eine neue Kalkulationssoftware mit Fokus auf Arbeitskalkulation, Soll-Ist-Vergleiche, Kostenverfolgung mit einer auto­matischen Schnittstelle zur Kostenrechnung und einem monatlichen Reporting. Das war ein großes Projekt hinter den Kulissen. 

Dank der ESG-Kriterien ist Nachhaltigkeit bei Immo­bilien sehr stark in den Fokus gerückt. Spiegelt sich diese Entwicklung auch schon in der ­Praxis wider?

Höninger: Gerade bei unseren Großprojekten mit Investorenbeteiligung gehört Nachhaltigkeit zu unserem Tagesgeschäft – kaum ein Projekt läuft ohne Zertifizierung. Für viele Banken ist das mittlerweile eine Voraussetzung für die Finanzierung. Wir als Ausführende müssen natürlich auch unseren Teil dazu beitragen und die entsprechenden Vorgaben umsetzen.

Ist das Bauen dadurch aufwendiger geworden?

Höninger: Nicht, wenn man sich von Anfang an darauf einstellen kann. Es bedarf vielleicht etwas mehr Organisation, die Nachweise zu erbringen und dafür zu sorgen, dass auch unsere Lieferanten und Subunternehmen die Anforderungen erfüllen, aber es hält sich in Grenzen. Das gilt auch für die ­Kosten. Die Mehrkosten für ein aufwendigeres Energiekonzept müssen über den Lebenszyklus betrachtet werden. Der Wert des Gebäudes steigt aber dadurch deutlich. 

Im kommenden Jahr wird Dywidag in Österreich 50 Jahre alt. Vor zwei Jahren wurde das Unternehmen von der Bodner-Gruppe übernommen. Was hat sich dadurch verändert?

Höninger: Für uns hat sich nicht viel verändert. Es war für unseren Eigentümer Thomas Bodner von Anfang an klar, dass wir eigenständig bleiben, und das schätzen wir sehr. Wir ergänzen uns regional sehr gut. Auch die direkte Zusammenarbeit bei Projekten funktioniert, wie man zum Beispiel bei Quadrill oder der neuen DM-Zentrale in Salzburg sehen kann. Gleichzeitig können wir in der Gruppe nun auf Leistungen wie Betonfertigteile und Stahlbau zugreifen und durch den gemeinsamen größeren Geräte­park Synergien nutzen. In Summe hat sich unsere Schlagkraft erhöht. 

Das bedeutet, die Zeichen stehen bei Ihnen auf Wachstum?

Höninger: Definitiv. Wir bauen auf organisches Wachstum und wollen unsere Märkte ausweiten. Seit einigen Jahren haben wir ein verstärktes Engagement in Graz, wo wir unsere Aktivitäten ausbauen wollen, und auch Süd­bayern mit Schwerpunkt München ist ein interessanter Markt für uns.

Zum Wachsen braucht man Personal, aber das ist schwierig zu bekommen. Auf welchen Wegen versuchen Sie das Fachkräfteproblem zu lösen?

Höninger: Wir haben unsere Personalsuche in den letzten Jahren adaptiert und legen nun einen großen Fokus auf Social Media. Ohne das geht es bei jungen Leuten nicht mehr. Herkömmliche Plattformen haben ausgedient. Wir sind ein Unternehmen, das seit jeher Facharbeiter im eigenen Bestand hat, und das wollen wir auch mit allen Mitteln aufrechterhalten. Denn die wesentlichste Stärke eines Bauunternehmens ist, die Kernkompetenzen für das Bauen selbst im Haus zu haben. In Deutschland wird mittlerweile fast ausschließlich mit Lohnleistern gearbeitet, und diese Entwicklung empfinde ich als sehr bedenklich. Wir kaufen uns kein Personal ein, und wir gehen auch keine Kompromisse ein – das heißt, wir nehmen nicht alle, nur weil sie verfügbar sind. Schließlich haben wir einen Ruf zu verteidigen. Deshalb suchen wir die Besten oder bilden sie selber aus. 

Blicken wir noch kurz in die Zukunft: Wo sehen Sie die Dywidag in den nächsten zehn Jahren?

Höninger: Unser Ziel ist, weiterhin als verläss­licher und fairer Partner am Markt wahrgenommen zu werden. Wir sind keine Claimer, sondern wir suchen nach Partnerschaften – mit unseren Auftrag­gebern und auch mit unseren Nachunternehmern, von denen wir als Generalunternehmer schließlich abhängig sind. Wir brauchen gute Leistung zu fairen Preisen, und so wollen wir auch von unseren Kunden gesehen werden.

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