Kartellverbot

Vorsicht bei Direktvergabe

OGH
25.10.2024

Manche gesetzlichen Vorschriften sind verzichtbar, manche nicht. Wie sich an der unten angeführten OGH-Entscheidung zeigt, ist das Kartellverbot grundsätzlich nicht verzichtbar, auch wenn das manchmal alle Beteiligten gerne hätten.
verbotene Preisabsprache m Baugewerbe

Es soll schon vorgekommen sein, dass Auftraggeber kein Interesse an einem wirklichen Wettbewerb haben, sondern von vornherein einen bestimmten Unternehmer beauftragen wollen. Und wenn sie – aus vergaberechtlichen oder anderen Gründen – doch einen Wettbewerb zulassen müssen, dann soll es weiters schon vorgekommen sein, dass gemeinsam mit dem präferierten Unternehmer eine Lösung dafür gesucht wird, die dem geplanten Ziel nicht im Weg steht.

Keine Lust auf Wettbewerb?

Nun meinen manche, dass das – zumindest in bestimmten Fällen – zulässig sein soll, weil die gesetzlichen Bestimmungen, die derartige Absprachen verbieten, ja vor allem zugunsten des Auftraggebers gelten. Wenn dieser aber keinen Wert auf einen (ernsthaften) Wettbewerb legt, könne es doch auch dem Gesetz egal sein?
Mit derartigen Fragen hatte sich nun der Oberste Gerichtshof (OGH) als Kartellobergericht zu beschäftigen (OGH 17.5.2024, 16 Ok 7/23z).
Es ging um eine Direktvergabe eines öffentlichen Auftraggebers. Bei Direktvergaben muss kein Wettbewerb zugelassen werden, der Auftraggeber kann auch – formfrei – nur mit einem Unternehmer direkt Kontakt aufnehmen und diesen beauftragen. Es ist aber bei Direktvergaben auch zulässig, mehrere Angebote verschiedener Unternehmer einzuholen.

Abgesprochene Deckangebote

Im Ausgangsfall wurden (letztlich) mehrere Angebote eingeholt, wobei alle bis auf eines – nämlich das des gewünschten Unternehmers – bloße Deckangebote waren, deren Inhalt vom jeweiligen Bieter mit dem gewünschten Unternehmer abgesprochen war. Aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ergab sich nicht (zumindest nicht eindeutig), dass der Auftraggeber dies definitiv so haben hätte wollen.
Das Erstgericht stellte einen Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 Kartellgesetz (KartG) fest und sprach Geldbußen aus. Im Rekursverfahren vor dem OGH wurde dagegen argumentiert, dass keine „echte“ Wettbewerbssituation vorgelegen habe, die Vergleichsangebote wären nur „pro forma“ eingeholt worden. Bei Direktvergaben gäbe es keine Pflicht zum Wettbewerb, daher hätten die Absprachen zu keiner Wettbewerbsbeschränkung geführt; man wäre nur den Wünschen des Kunden (also des Auftraggebers) nachgekommen.

Die Volkswirtschaftliche Ebene

Der OGH sah dies anders: „Wettbewerb“ sei dadurch gekennzeichnet, dass die Unternehmen ihr Handeln „selbständig bestimmen“ könnten. Wenn diese Handlungsfreiheit beschränkt werde, liege eine Wettbewerbsbeschränkung vor. Außerdem bestehe der Zweck des Kartellverbots auch darin, den Wettbewerb als solchen – also auf volkswirtschaftlicher Ebene – zu schützen, nicht nur die wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers. Es sei zwar richtig, dass bei einer Direktvergabe keine Pflicht zum Wettbewerb bestehe; wenn aber doch mehrere Angebote eingeholt werden, gelte auch das Kartellverbot.
Der Auftraggeber könne daher bei einer Direktvergabe nur auf die Einholung von mehreren Angeboten verzichten, nicht aber auf die Geltung des § 1 KartG. Gleiches gelte nach Judikatur und Lehre auch für die Strafbestimmung des § 168b StGB (Submissionsabsprachen): Eine Mitwirkung des Auftraggebers an einer Absprache ändere nichts an deren wettbewerbsbeschränkender Wirkung.

Kein Verzicht auf Wettbewerb

Auch wenn man daher im Anlassfall davon ausginge, dass der Auftraggeber auf einen Bieterwettbewerb verzichtet hätte, wären die Absprachen dennoch wettbewerbsbeschränkend im Sinne des § 1 KartG gewesen. Ein Auftraggeber könne eben nicht „auf den im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse an funktionierenden Markstrukturen gelegenen Wettbewerb“ verzichten.
Diese OGH-Entscheidung zeigt, dass man vorsichtig sein sollte, wenn man allen „Wünschen des Kunden“ nachkommen will. Es gibt zwingende gesetzliche Bestimmungen, die dafür Grenzen setzen. ■

Branchen
Bau