Raumordnungsgesetz

Entschädigung auch für Reduktion der Bebauungsdichte?

Rechtstipp
19.04.2021

Kürzlich musste sich der OGH mit der Frage auseinandersetzen, ob die bloße Verminderung der Bebaubarkeit einen Entschädigungsanspruch gegenüber der Gemeinde begründen könnte.

Das Niederösterreichische Raumordnungs­gesetz 2014 (NÖ ROG 2014) enthält für die Änderung des Bebauungsplans und die Änderung des Flächenwidmungsplans zum Nachteil der Grundeigentümer jeweils eine eigene Entschädigungs­bestimmung (§ 36 und § 27 NÖ ROG 2014). Nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 NÖ ROG 2014 kommt eine Entschädigung für die Änderung des Bebauungsplans und die Änderung des Flächenwidmungsplans nur in Betracht, wenn durch die Festlegungen des Bebauungsplans die Nutzung laut Flächenwidmungsplan ausgeschlossen, das heißt unmöglich gemacht oder vereitelt wird. In der Literatur wird dazu ausgeführt, dass bei der Änderung des Bebauungsplans von der Gemeinde nur dann eine Entschädigung zu leisten sei, wenn durch die geänderten Festlegungen die widmungsgemäße Nutzung überhaupt ausgeschlossen werde. Daraus folgt, dass eine bloß eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit nicht entschädigungsfähig sei.

Sonderopfertheorie

Im Kontext von Entschädigungen wegen Änderungen des Bebauungsplans ist auch auf die sogenannte ­Sonderopfertheorie einzugehen. Diese besagt, dass auch bei bloßen, von der Enteignung zu unterscheidenden Eigentumsbeschränkungen die Festlegung einer Entschädigung geboten ist, wenn Einzelne zugunsten der Allgemeinheit in sachlich nicht gerechtfertigter und unverhältnismäßiger Weise stärker belastet werden als andere, der Einzelne somit ein „Sonderopfer“ erbringt. Diese Theorie fragt danach, wann eine Eigentumseinschränkung dem Eigen­tümer ein besonders gravierendes Opfer zugunsten der Allgemeinheit abverlangt, ihn also in sachlich nicht rechtfertigbarer und unverhältnismäßiger Weise stärker belastet als andere Personen und ihm eine Entschädigung zusteht. Mit dieser Thematik setzte sich der OGH jüngst auseinander.

OGH 23.11.2020, 8 Ob 85/20p

Eine professionelle Bauträgerin kaufte eine unbebaute Liegenschaft im Stadtgebiet einer Gemeinde. Für die Liegenschaft waren im Flächenwidmungsplan die Widmung „Bauland-Wohngebiet“ sowie eine Beschränkung auf drei Wohneinheiten ausgewiesen. Im Bebauungsplan war eine Bebauungsdichte von 45 Prozent verordnet. Die Gemeinde fasste jedoch in der Folge den Beschluss, für das gesamte Stadtgebiet eine Bausperre zu erlassen, um den Bebauungsplan zu überprüfen bzw. zu verbessern. Die Bauträgerin plante die Bebauung der Liegenschaft unter Zugrundelegung einer Bebauungsdichte von 45 Prozent. Kurz darauf erteilte die Gemeinde der Bauträgerin zwei Baubewilligungsbescheide für ein Wohnbauprojekt mit einer Bebauungsdichte von 40 Prozent.

Die Antragstellerin verkaufte daraufhin die Liegenschaft in unbebautem Zustand und begehrte eine Entschädigung für die Planungs- und Nebenkosten sowie für die Wertminderung der Liegenschaft infolge der Reduktion der Bebauungsdichte. Der OGH schloss sich der Literatur an und führte aus, dass eine Entschädigung nur dann zusteht, wenn eine Bebauung infolge einer Änderung des Bebauungsplans nicht mehr möglich ist. Das Vorliegen eines Sonder­opfers wurde verneint, weil der Bauträgerin eine wirtschaftlich sinnvolle Verwertung der Liegenschaft auch bei einer Bebauungsdichte von 40 Prozent möglich war und im Vergleich zu anderen Grundeigentümern keine Verletzung des Gleichheitssatzes vorlag.

Fazit

Eine Entschädigung anlässlich der Änderung eines Bebauungsplans kommt nur in Betracht, wenn durch die neuen Festlegungen die Nutzung laut Flächen­widmungsplan unmöglich gemacht wird. Dies ist dem OGH zufolge bei einer Verminderung der Bebauungsdichte um fünf Prozent nicht der Fall. Von einem „Sonderopfer“ kann bei der konkreten Eigentumsbeschränkung keine Rede sein. Der OGH bestätigt mit der Entscheidung die herrschende Lehre, aber es bleiben Fragen offen. Eine Reduktion der Bebauungsdichte führt immer zu einer Verringerung potenzieller Nutzflächen. Je nach Ausmaß können sich so gravierende Einschränkungen ergeben, ohne dass aber die widmungsmäßige Verwendung ausgeschlossen wird. Die Frage, wann die Grenze zum „Sonderopfer“ erreicht wird und was keine sinnvolle wirtschaftliche Verwertung mehr ist, wurde vom OGH nicht beantwortet. Diese Frage ist weiterhin im Einzelfall zu entscheiden.

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