Verbot

Schikaneeinwand bei geringfügigem Grenzüberbau

Rechtstipps
07.03.2023

Ein Grundstückseigentümer kann über sein Eigentum verfügen wie es ihm beliebt. Das Eigentumsrecht wird allerdings durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt.

Beim Grenzüberbau kommt es zur Bauführung teils auf eigenem, teils auf fremdem Grund. Geringfügige Grenzüberbauten können gemäß herrschender Rechtsprechung unter Umständen zulässig sein und dazu führen, dass der Eigentümer des Bauwerks Eigentümer auch des überbauten Nachbargrundes wird. Der Grundstückeigentümer kann sich gegen den Überbau grundsätzlich mittels Eigentumsfreiheitsklage zur Wehr setzen. Der Bauführer kann dann den Schikaneeinwand (Rechtsmissbrauch) entgegenhalten. Schikane kann etwa dann vorliegen, wenn der Überbau mit keinen nennenswerten Nutzungseinschränkungen verbunden ist, unwissentlich erfolgte und nur mit erheblichem Aufwand beseitigt werden könnte. 

Erfolgt lediglich ein geringfügiger Eingriff in fremdes Grundeigentum, kann der Einwand der rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung des Bauführers demnach durchaus berechtigt sein. Erfolgt die Rechtsausübung weit überwiegend zum Zweck der Schädigung eines anderen, liegt Rechtsmissbrauch iSd § 1295 Abs 2 2. HS ABGB vor. Von schikanöser Rechtsausübung kann man ferner schon dann ausgehen, wenn unlautere Motive überwiegen oder wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen Teils ein krasses Missverhältnis besteht. Es bedarf immer einer Interessenabwägung im Einzelfall, in welche insbesondere auch die Kosten eines Rückbaus einfließen.

Aktuelle Entscheidung

Jüngst hatte der OGH in der Entscheidung OGH 4 Ob 170/21k die Stichhaltigkeit des Schikaneeinwands bei geringfügigem Überbau zu beurteilen. Im Grenzbereich zwischen zwei Grundstücken wurde ein Eisenzaun errichtet. Ein Eisensteher und zwei Eisendorne des Zauns sowie drei bedeckte Betonfundamente befanden sich zwischen 2 und 20cm auf dem Nachbarsgrundstück.

Der Kläger begehrte ca acht Jahre nach Beginn der Errichtung des Zauns die Entfernung der auf seiner Liegenschaft errichteten Zaunteile, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands sowie Unterlassung. Die Beklagten wandten schikanöse Rechtsausübung ein und behaupteten die Klagsführung sei nur eine "Retourkutsche" des Klägers für die Verhinderung eines in der Vergangenheit verhinderten Bauvorhabens. Weiters beriefen sie sich im Verfahren insbesondere auf den Umstand, dass der Kläger mit der Klage jahrelang zuwartete und nur eine geringfügige Fläche vom Überbau betroffen sei.

Die Vorinstanzen verneinten eine missbräuchliche Rechtsausübung. Ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands liege nicht vor. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Zurückversetzung sämtlicher Zaunteile auf das Grundstück der Beklagten einen derart erheblichen Aufwand erfordere, dass von einem krassen Missverhältnis auszugehen wäre. Dass der Kläger nicht sofort zur Klagsführung geschritten sei, sondern mehrere Jahre zuwartete, lasse noch nicht auf ein unlauteres Motiv schließen. Der OGH bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen hinsichtlich des Schikaneeinwandes aufgrund der beengten Verhältnisse auf der Liegenschaft sowie der vorzeitigen Aufforderung zur Entfernung des Überbaus.

Praxistipp

Bei der Beurteilung der Stichhaltigkeit des Einwands der Schikane kommt der subjektiven Seite des Bauführers erhebliche Bedeutung zu. In der Rechtsprechung hat sich als allgemeine Regel herausgebildet, dass selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden gewertet werden. Ob tatsächlich Rechtsmissbrauch vorliegt, ist letztendlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.

Festzuhalten ist auch, dass die jeweiligen Bauordnungen der Bundesländer vereinzelt Duldungspflichten der Nachbarn zur Benützung ihrer Liegenschaften zur Durchführung von zeitlich begrenzten Bauführungen oder Instandsetzungsarbeiten an Nachbargebäuden normieren, sofern diese ansonsten nicht möglich oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sind. Zur Vermeidung von Nachbarschaftsstreitigkeiten ist es jedoch in Zweifelsfällen empfehlenswert, vor Durchführung der Arbeiten zumindest die Zustimmung des jeweiligen Nachbarn zur Bauführung einzuholen.

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