Schlussrechnung

Gegenforderung statt Zahlung?

Rechtstipp
22.02.2021

Was ist, wenn der Auftraggeber die Schlussrechnung überhaupt nicht bezahlt, sondern selbst Gegenforderungen behauptet – und welche Fristen gelten?

Wenn der Auftraggeber (AG) im Rahmen der Schlussrechnungskorrektur Abzüge von der Schlussrechnung des Auftragnehmers (AN) vorgenommen hat und der AN diese Abzüge nicht akzeptieren möchte, so muss er binnen drei Monaten ab Erhalt der Zahlung einen begründeten und schriftlichen Vorbehalt gegen die Abzüge erheben. Was ist jedoch, wenn der AG überhaupt nicht zahlt, sondern selbst Gegenforderungen behauptet?

Die Annahme der Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt gemäß Pkt 8.4.2 ÖNorm B 2110 nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung oder ­binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von drei ­Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenz­betrags durch den AG zu laufen. Die Bestimmung dient im ­Wesentlichen dazu, möglichst rasch Klarheit über die Abrechnung zu schaffen. Der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen können.

Antwort mit Gegenforderung?

Was ist jedoch, wenn der AG gar nicht zahlt, sondern einfach die Aufrechnung mit Gegenforderungen behauptet? Vereinfacht gesagt, ist der Schlusszahlungsvorbehalt des AN die Mitteilung an den AG, dass er die von der Schlussrechnungssumme abweichende Zahlung nicht akzeptiert. Kann der AN ­jedoch ­akzeptieren, wenn er gar nichts erhält, oder muss er sich auch dagegen wehren? Genau mit ­dieser Frage setzte sich der Oberste Gerichtshof auseinander. Kann die Nichtzahlung des Schluss­rechnungsbetrags aufgrund der Geltendmachung von Gegenforderungen durch den AG, die Dreimonatsfrist im Sinne des Pkt 8.4.2 ÖNorm B 2110 ebenfalls auslösen? Im konkreten Fall legte der AN unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Teilzahl­ungen seine Schlussrechnung. Der AG korrigierte die Schlussrechnung mit dem Ergebnis eines zu ­seinen Gunsten bestehenden Guthabens. Dagegen erhob der AN keinen Vorbehalt und klagte den in Rechnung ausgewiesenen Betrag einfach ein. Der AG behauptete im weiteren Prozess, dass der Anspruch aufgrund des mangelnden Vor­behalts verjährt sei.

Der OGH stellte in der Entscheidung 4 Ob 241/14s eindeutig klar, dass die Dreimonatsfrist im Sinne des Pkt 8.4.2 ÖNorm B 2110 nur durch einen wie auch immer gearteten Zahlungsakt seitens des AG ausgelöst werden kann. Er begründete dies, dass ausgehend vom Wortlaut der maßgeblichen ÖNorm-Bestimmung, sowohl in der Überschrift als auch im Text, ausdrücklich auf die „Annahme der Zahlung“ abgestellt werde. Diese ÖNorm-Bestimmung treffe eine klare, eindeutige Regelung. Danach setzt deren Anwendung die vorbehaltlose Annahme einer vom AG gekürzten Zahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung voraus. Die vorbehaltlose Annahme einer Nichtzahlung, wie bei der Geltendmachung behaupteter Gegenforderungen, komme schon begrifflich nicht infrage. Ob der Auftraggeber der „Nichtzahlung“ lediglich die Ablehnung weiterer Zahlungen zugrunde legt oder ob er darüber hinaus ein Guthaben zu seinen Gunsten behauptet, ist ohne Relevanz.

Fazit

Lediglich ein tatsächlicher Zahlungsakt löst die dreimonatige Frist zur Erhebung eines Schlusszahlungsvorbehalts im Sinne des Pkt. 8.4.2 ÖNorm B 2110 aus. Die Rechtsprechung hat richtigerweise klargestellt, wenn der AG die gelegte Schlussrechnung vollständig kürzt und seinerseits Gegenforderung geltend macht, der AN keinen schriftlichen und ­begründeten Schlussrechnungsvorbehalt erheben muss. In der Praxis empfiehlt es sich oft, trotzdem einen Schlusszahlungsvorbehalt zu erheben. Gerade wenn man befürchtet, dass das Bauvorhaben vor Gericht enden könnte, kann man so einem möglichen Verjährungseinwand zuvorkommen.

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