Interview

"Ein Minister fürs Bauen"

Bauwirtschaft
11.09.2024

Andreas Köttl, Präsident der Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (Vöpe) formuliert im Gespräch mit der Bauzeitungen klare Forderungen an die zukünftige Regierung – eine davon: Ein eigener Minister für Bauen und Wohnen.
Vöpe-Chef Andreas Köttl.
Vöpe-Chef Andreas Köttl.

Herr Köttl, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hat vor kurzem gesagt, dass er einen eigenen Minister fürs Bauen und Wohnen für eine gute Idee halten würde…
Andreas Köttl: … ein Minister fürs Bauen, das halte ich für eine ausgezeichnete Idee.

Das kann ich mir vorstellen. Sie kommt mir bekannt vor: Sie haben das Gleiche Anfang des Sommers gefordert.
Ja, wir sprechen hier vom einem „Lebensrauministerium“. Ich freue mich, dass wir mit unserer Forderung nun auch in der Politik Unterstützung finden. Wir haben sie im Juni gemeinsam mit unseren Partnern unserer „Allianz Wohnraum Österreich“ präsentiert. Wir haben hier eine klare Meinung: Es macht absolut Sinn, alles zum Thema Bau in einer Hand zu bündeln

Ärgernis lange Verfahren

Ich bin leider alt genug, um mich erinnern zu können, dass es einen Bauminister in Österreich schon einmal gegeben hat.
Lang ist es her: Der letzte Minister, der das Portfolio „Bauten“ im Titel trag, war Heinrich Übleis. Wir sprechen hier von der Regierung Vranitzky I bis 1987. Seither wird der Wohnbau im Bund stiefmütterlich behandelt und niemand fühlt sich letztverantwortlich.

Was soll die Aufgabe so eines „Lebensrauminister“ sein?
Das Ministerium soll als Kommunikationsdrehscheibe zwischen Bund, Ländern und Kommunen agieren. Wir haben derzeit eine extreme Zersplitterung beim Bauen und Wohnen. Überall wird gefördert, Politik betrieben, werden Regelungen erlassen. Es fehlt eine zentrale Stelle, die den Überblick hat und koordiniert. Ohne ein Lebensrauministerium mit dazugehörigen politischen Verantwortlichen werden wir dringend notwendige Reformen nicht umsetzen können. Daher fordern wir, alle bestehenden bau-, wohn- sowie infrastrukturrechtlichen Kompetenzen in einem Lebensraumministerium zu bündeln.

Sie sprechen von „koordinieren“. Wäre das nicht nur ein weiterer Koch, der in der Suppe rührt – nur diesmal mit einem etwas längeren Löffel?
Unter „koordinieren“ verstehe ich mehr als ein wenig in der Suppe zu rühren. Ich sehe die Position wie die eines Mangers in einem Unternehmen – Themenstellungen sammeln, Missstände orten, Lösungsansätze entwickeln, Ziele definieren und eine Roadmap erarbeiten, in der festgehalten wird: Wann wollen wir mit welchen Maßnahmen welches Ziel, erreichen und wer macht wann was? Das alles natürlich in Abstimmung mit den Ländern und Gemeinden. Aber der oder die Ministerin ist die zentrale Stelle, bei der die Fäden zusammenlaufen. Sie ist auch dafür verantwortlich, Transparenz zu schaffen und die Umsetzung zu monitoren.

Die Bundesländer achten bekanntermaßen mit Argusaugen auf ihren liebgewonnenen Föderalismus. Wieviel Kompetenz muss oder darf der Bauminister haben?
Aus unserer Sicht benötigt der Lebensrauminister eine Richtlinienkompetenz. Das bedeutet: Er ist verantwortlich für die Ausarbeitung einer Richtlinie auf Bundesebene. Die Umsetzung liegt bei den Ländern und den Gemeinden – im Rahmen dieser Richtlinie. Das ist übrigens nicht neues in Österreich. Wir leben das in anderen Rechts- und Politikbereichen seit vielen Jahren. Ich denke da zum Beispiel an das Schulrecht, das Arbeitsrecht oder die Krankenanstalten. Da gibt es ein feines Gefüge von Verantwortlichkeiten, weil der Gesetzgeber nicht wollte, dass die Rechtslage zu sehr zersplittert. Warum soll das Krankenrecht in Feldkirch anders gestaltet sein als in Eisenstadt? Ähnlich sehe ich das im Wohn- und Baurecht.

Wo wir schon von Beschlüssen auf Bundesebene und der Umsetzung in den Ländern sprechen: Bei letzterer haperts in Bezug auf die vom Bund beschlossene Wohnbaumilliarde. Diese wurde vor mehr als einem halben Jahr beschlossen. Auf den Baustellen ist aber noch nichts angekommen.
Sie sprechen hier das Bau- und Wohnpaket der Regierung an. Da muss man fairerweise sagen, dass viele von den beschlossenen Maßnahmen mittlerweile umgesetzt sind oder sich in Umsetzung befinden. Ich höre zum Beispiel von den Treuhändern, dass die befristete Befreiung von den Nebengebühren beim Eigentumserwerb kurz vor der Umsetzung steht. Anders ist es bei der besagten „Wohnbaumilliarde“…

Hier müssen die Länder im Laufe des zweiten Halbjahres vorlegen, wie viele Wohnbauförderungen sie heuer abwickeln werden. Der Bund übernimmt dann die Kosten für jene Förderungen, die über das Level der vergangenen Jahre hinausgehen. Experten meinen, dass es bis zum kommenden Frühjahr dauern wird, bis diese Gelder fließen.
Das sehe ich auch so. Man hat sich bewusst für ein Konstruktion entschieden, die die Länder stark integriert. Ihre Autonomie wird gewahrt. Man hätte ja auch eine zentrale Förderung durch den Bund vorsehen können. Aber ich sehe es als positives Zeichen, dass die Regierung die Wohnbauförderung zu einem zentralen Bundesthema gemacht hat. Es ist ein erster Schritt in Richtung einer Harmonisierung. Das hat uns bestärkt in unserer Forderung nach einer zentralen Koordinationsstelle. Der nächste logische Schritt wäre nun, jemand einzusetzen, der die Umsetzung bundesweit überwacht. Wir befinden uns in einer Evolution der Kompetenzverteilung. So nehme ich das wahr – oder möchte ich das wahrnehmen.

Wie soll es nun weitergehen? Die Nationalratswahlen stehen an. Was dann?
In einem ersten bescheidenen Schritt wünsche ich mir, dass wir als Vöpe nach der Wahl im Rahmen der Regierungsverhandlungen eingeladen werden, um unser Expertenwissen einzubringen. Gemeinsam mit anderen Vertreterinnen und Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft. Wir wollen nicht jammern, sondern konkrete Vorschläge machen.

Was erwarten Sie sich als Ergebnis dieses Prozesses?
Ich wäre schon enttäuscht, wenn unsere Forderung nach einem Lebensraumministerium sich nicht im Regierungsprogramm wiederfinden würde. Ein Staatsekretär wäre ein bisschen wenig. Ein Minister oder eine Ministerin wäre ein wichtiges Zeichen.

Welche Themen sollte der oder die neue Ministerin als erstes anpacken?
Es gibt es eine Reihe von Themen, aber eines halte ich für besonders wichtig: die Verfahrensdauer für Baubewilligungen. An diesem Thema hängt viel vom Erfolg oder Misserfolg der Wohnbauwirtschaft ab. Unsere Mitgliedsbetriebe berichten uns immer wieder von sehr langen Verfahren. Bekannt sind zum Beispiel Fälle aus Graz von bis zu sieben Jahren, aus Baden von bis zu vier Jahren und in Wien und Wiener Neustadt von bis zu zwei Jahren.

Wie lange dauen die Verfahren im Schnitt?
Das kann ich ihnen nicht sagen. Es gibt dazu meines Wissens keine Zahlen. Was ja auch schon für sich spricht. Das wäre eine weitere wichtige Aufgabe des Lebensrauministeriums: Die Fakten ermitteln und für Transparenz sorgen. Erst wenn die Fakten auf den Tisch legen, kann man die richtigen Schlüsse ziehen und die geeigneten Maßnahmen zur Lösung des Problems erarbeiten.

Ketzerische Frage: Was ist denn so tragisch an den langen Verfahren?
Sie binden Zeit und damit Geld. Die Zinsen für die Finanzierung fallen ja weiter an. Und das hat Folgen für die Nutzerinnen und Nutzer: Je länger das Projekt dauert, desto höher die Finanzierungskosten – und die wirken sich negativ auf die Mieten aus. Zudem gibt es einen weiteren wichtigen Aspekt: die Nachhaltigkeit. Wenn sich ein Projekt fünf Jahre zieht, ist die geplante Technik bei der Fertigstellung oftmals schon wieder veraltet. Vor allem im Bereich der Kälte- und Wärmegewinnung.

Letzte Frage: Wann geht es im Wohnbau wieder aufwärts?
Nicht vor nächstem Jahr. Wir leiden noch unter den Auswirkungen der Zinswende. Ganz wichtig wird sein: Welche Maßnahmen und Impulse setzt die neue Regierung. Hoffentlich steht sie bald.

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