EUGH-Entscheidung

Die Schwarze-Schafe-Klausel

Vergaberecht
22.03.2023

Seit den EU-Vergaberichtlinien 2014 (umgesetzt mit dem BVergG 2018) gibt es die sogenannte Schwarze-Schafe-Klausel.

Laut der Schwarze-Schafe-Klausel (siehe § 78 Abs. 1 Z 9 bzw. § 249 Abs. 2 Z 8 BVergG 2018) ist ein Unternehmer vom Vergabeverfahren als unzulässig auszuschließen, wenn bei einem früheren Auftrag erhebliche oder dauerhafte Mängel aufgetreten sind, die die vorzeitige Vertragsbeendigung, Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben.Der EuGH hatte sich (in der Entscheidung vom 26.1. 2023, C-682/21) mit einem entsprechenden (litauischen) Fall auseinanderzusetzen.

Der Anlassfall

Eine Arge hatte einen Auftrag derart schlecht ausgeführt, dass der Auftraggeber den Vertrag vorzeitig beendete. Die Ursache lag offenbar darin, dass ein Arge-Mitglied während der Ausführung insolvent wurde und nicht mehr leistungsfähig war, somit konnte die Leistung insgesamt nicht mehr ordnungsgemäß erbracht werden. Der Ausschlussgrund der Schwarze-Schafe-Klausel lag daher grundsätzlich vor.

Fraglich war aber, ob nun jedes Arge-Mitglied als unzuverlässig galt oder nur jenes, das die schlechte Ausführung verursachte. Eine Besonderheit in Litauen (und einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten), die es in Österreich nicht gibt, ist eine staatliche Liste mit vergaberechtlich unzuverlässigen Unternehmern (vergleichbar einem Strafregister). Gegenständlich sollten nun alle Arge-Mitglieder in diese Liste eingetragen werden. Manche Arge-Mitglieder wehrten sich aber dagegen. Das litauische Gericht war unsicher, wie diese Frage anhand der EU-Vergaberichtlinien zu beurteilen ist und legte die Frage dem EuGH zur Entscheidung vor.

Die Entscheidung

Der EuGH hielt dazu zunächst fest, dass die nationalen Vergabegesetze zwar eine Vermutung anstellen dürfen, dass in einem solchen Fall jedes Arge Mitglied unzuverlässig wäre. Diese Vermutung muss aber widerlegbar sein, also jedes Arge-Mitglied darf entsprechende Argumente und Beweise dagegen einbringen, bevor es als unzuverlässig eingestuft wird.

Bei diesem Ausschlussgrund geht es laut EuGH darum, ob das individuelle Verhalten des Unternehmers fehlerhaft oder fahrlässig war. Eine automatische "Sippenhaftung“ der gesamten Schafherde (Arge) ist nicht zulässig. Daran ändert auch die solidarische Haftung jedes Arge-Mitglieds nicht, weil es vergaberechtlich hier nicht um die zivilrechtliche Haftung geht, sondern eben um eine Sanktion für ein individuelles Fehlverhalten.

Jedes Arge-Mitglied muss daher die Möglichkeit haben nachzuweisen, dass die Mängel, die zur vorzeitigen Vertragsbeendigung führten, "in keinem Zusammenhang mit seinem individuellen Verhalten standen“ und dass "von ihm nicht mehr verlangt werden kann, als er zur Behebung dieser Mängel ohnehin getan hat“. Wenn er dies nachweist, ist er nicht unzuverlässig.

Auch die vergaberechtliche Möglichkeit jedes Unternehmers, bei Unzuverlässigkeit seine "Selbstreinigung“ (also die Umsetzung von Compliance-Maßnahmen, um eine positive Prognose über künftiges vergaberechtskonformes Verhalten zu ermöglichen und wieder zuverlässig zu gelten) zu belegen, ändert daran nichts. Wenn er nämlich gar nicht unzuverlässig ist, kann von ihm auch keine "Selbstreinigung“  verlangt werden (was sollte er auch reinigen müssen, wenn er ohnehin "sauber“ ist).

Die EuGH-Entscheidung ist eine willkommene Klarstellung bei einer Bestimmung, die ohnehin noch voller anderer Unklarheiten ist. Freilich wird es für die Auftraggeberseite dadurch mühsamer, eine etwaige Unzuverlässigkeit zu prüfen, weil es eben nicht auf das "starre“ Zurechnungskriterium einer Arge Mitgliedschaft ankommt, sondern auf eine inhaltliche Betrachtung des individuellen Verhaltens jedes Unternehmers. Aber aus Unternehmersicht hängt dadurch ein Damoklesschwert weniger über der Beteiligung an öffentlichen Aufträgen.

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